Fortschritt beim Dschungelprojekt
- Kornelia Schmid

- 21. Sept.
- 7 Min. Lesezeit
Wer mir auf Social Media folgt, hat es vielleicht schon mitbekommen: Ich habe mein Romanprojekt, das in einer indisch inspirierten Fantasywelt spielt, beim diesjährigen Stipendium des Phantastik-Autor*innen-Netzwerks (PAN) eingereicht und es auf auf die Shortlist geschafft. Deswegen ist es Zeit für ein Update – und eine Leseprobe.

Ob ich das Stipendium gewinne, entscheidet sich im Oktober. Das ist aber auch gar nicht so wichtig, denn auf der Shortlist zu stehen, ist ebenfalls eine Auszeichnung. Es freut mich vor allen deshalb, weil es beweist, dass ich nicht die einzige bin, die der Ansicht ist, dass High Fantasy abseits des europäischen Mittelalters am Markt völlig unterrepräsentiert ist.
Damit sei nun auch der Titel des Dschungelprojekts verraten: Der Roman wird "Der Palast im Regen" heißen. Warum? Nun, es gibt diverse Paläste und etwa die Hälfte der Handlung spielt während der Regenzeit, es wird also ganz schön nass im Text.
Damit ihr euch ein besseres Bild machen könnt, spendiere ich heute die erste Leseprobe zum kommenden Buch. Sie ist aus Sicht von Sveno Ralbarat (für manche von euch vermutlich ein alter Bekannter) geschrieben. Natürlich ist das nicht die endgültige Fassung, es fehlen Lektorat und Korrektorat. Seht mir also etwaige Fehler nach.
Leseprobe: Kapitel 2
Sveno war an Hitze gewöhnt. In Skeret brannte die Sonne Tag für Tag und ließ die Luft über dem Wüstensand und den staubtrockenen Straßen der Stadt flimmern. Darauf war er vorbereitet gewesen. Nicht aber auf die Feuchtigkeit. Jeder Atemzug füllte seine Lunge mit schwerer Luft und trieb ihm Schweiß auf die Stirn. Sveno wirkte einen Kühlzauber, doch die ekelhafte Feuchte um ihn herum blieb.
Hohe Bäume umgaben ihn. Durch das Dickicht über seinem Kopf drang nur wenig Sonnenlicht herab. An den Luftwurzeln der Bäume wuchs Moos. Von ihren Ästen hingen Orchideen … und wahrscheinlich auch so einiges Getier, mit dem er sich lieber nicht genauer beschäftigen wollte. Sveno hatte geglaubt, er wäre in seinem Leben viel herumgekommen – von verschneiten Berggipfeln durch kalte Herbstwälder und über sandige Dünen. Doch das hier war neu.
Während er auf seinem Pferd Honigkuchen saß, grübelte er über einen Zauber nach, mit dem er die Mückenschwärme abwehren konnte. Eine einfache Barriere um ihn herum mochte wirken, aber womöglich würde sie auch die Frischluft aussperren. Die Magie musste sich also ganz spezifisch gegen die fliegenden Quälgeister richten. Verdammt, wie sollte er das nur anstellen?
„Halt!“
Der Ruf des Kommandanten der königlichen Leibgarde riss ihn aus seinen Gedanken. Sveno zügelte Honigkuchen und sah sich um. Die Straße bestand aus von der Zeit polierten Pflastersteinen. An ihrem Rand wuchsen Gras, kleine Blumen und Farne. Das Grün dahinter schien undurchdringlich. Neben unablässigen Rascheln und Vogelgezwitscher durchschnitten die Schreie der Affen die Luft. Sveno hatte keine Ahnung, was die Aufmerksamkeit des Kommandanten erregt hatte. Die Pause dauerte nur wenige Herzschläge. Trotzdem war sie zäh wie klebriges Gebäck.
Dann barst buntes Licht aus dem Unterholz. Sveno erschuf einen Schutzschild aus Magie um sich herum. Ein flammend roter Zauber prallte darauf. Sveno spürte die Erschütterung und zuckte zusammen, doch sein Schild hielt. Als das Glühen erlosch und seine Umgebung wieder erkennen konnte, herrschte Chaos. Fremde brachen aus dem Geäst und stürmten die Lichtung. Sveno erkannte Kettenhemden und flatternde violette Tücher, aber nur wenig mehr. Dafür blitzte zu viel Magie um sie herum. Am Boden lagen jedoch bereits reglose Körper in skerischen Uniformen – viel zu viele.
Die Hälfte der Leibwache – erfahrene, ausgebildete Leute – innerhalb weniger Wimpernschläge niederstreckt. Wer auch immer die Angreifer waren – für einfache Banditen zauberten sie bei weitem zu gut. Aus ihren Händen schossen immer wieder blaue Flammen und orangerote Kugeln, ergossen sich weiße Ströme und gelbe Strahlen. Mal brannte die Magie wie Feuer auf ihren Opfern, mal warf sie sie lediglich zurück oder blendete sie. Diese Duellzauber waren nicht raffiniert. Doch sie wirkten. Und das bedeutete vor allem eines: Es sah nicht gut aus für die skerische Delegation.
Gegen seinen Willen musste Sveno lachen. Er hatte in Scharmützeln genauso wie in ausgewachsenen Schlachten gekämpft. Er hatte Lichtgeister überlebt und Magier, die die Welt in Brand setzten. Und jetzt würden ihn irgendwelche Fremden im Dschungel umbringen? Verdammt, das war schon komisch. Er versuchte, sich den Gesichtsausdruck seiner Schwester vorzustellen, sobald sie davon hörte. Serta würde nicht lachen. Nein, sie nicht. Und Äro sowieso nicht.
Ich sollte nun irgendetwas Schlaues tun, dachte Sveno. Irgendetwas, das die Angreifer derart überrascht, dass sie sich verwundbar machen. Und dann kann ich …
Ein magieflammender Pfeil durchbohrte den Hals des Soldaten direkt vor ihm. Er kippte vom Pferd, das daraufhin wiehernd davonstürmte. Sveno sah sein Gesicht nicht, während er starb, aber er erinnerte sich plötzlich mit schmerzhafter Detailgenauigkeit daran, wie der Mann sich in Skeret von seiner Frau und seinen beiden Kindern verabschiedet hatte. Wie er ihnen zugewinkt und versichert hatte, dass das hier nur eine muntere Reise ins Nachbarland war und er mit einer Wagenladung voll exotischer Geschichten zurückkehren würde. Und die Schuld, die Sveno bei dieser Erinnerung empfand, schürte ihm die Brust zu.
Wann bin ich so geworden? So unfähig? So sentimental? So verdammt … langsam. Sveno schwang sich von Honigkuchens Rücken und riss sein Krummschwert aus der Scheide. Er gab Honigkuchen einen Klaps, damit er davonlief und schützte sich und sein Pferd mit einem Schild aus Magie vor den bunten Flammen, die ihm entgegenschlugen.
Es war lange her, dass er ernsthaft gekämpft hatte. Er hatte versucht, in Form zu bleiben, indem er regelmäßige Übungsduelle mit seinem Vetter austrug. Aber die dienten mehr der Ablenkung, sollten Spaß machen und die Zuschauer beeindrucken. Das hier war etwas anderes. Das Wissen, dass es um sein Leben ging, knisterte durch seinen ganzen Körper. Er vergaß die Hitze, die Mücken, die Erschöpfung, sondern reagierte nur noch. Das einzige Geräusch, das er hörte, war das Rauschen seines eigenen Blutes in seinem Kopf. Und nachdem er drei Magiestöße abgewehrt hatte, schälte sich eine Silhouette aus dem Leuchten und stürmte mit gezückter Waffe auf ihn zu. Sveno parierte den Hieb, täuschte einen Schlag an, stieß zu, traf. Sein Körper erinnerte sich besser an die zahlreichen Übungen als sein Geist. Während er in der Defensive blieb, um eine Chance gegen die Übermacht zu haben, schärfte sich sein Geist. Die Bewegungen seiner Gegner schienen plötzlich langsamer und vorhersehbar. Sveno drehte sich weg, bevor der Pfeil überhaupt abgeschossen war und formte in der Hand einen Feuerball, den er auf den nächstbesten Angreifer schleuderte, sodass er zurücktaumelte.
Einen Augenblick lang hatte er eine Verschnaufpause und sah sich um. Von seinen Leuten stand keiner mehr auf den Beinen. Entweder sie waren verwundet oder tot. Die Angreifer waren noch immer in einer Überzahl, mit der er es auch dann nicht aufnehmen konnte, wenn er die mächtigste Magie entfesselte, die er kannte. Nein, wenn er überleben wollte, musste er fliehen.
Sveno erschuf ein Licht, so grell, dass es die Szene verschlang. Während sich die Angreifer geblendet abwandten, warf er sich ins Dickicht und zog einen Illusionszauber über sich, der es aussehen lassen würde, als wären hier nur Blätter. Das Leuchten versiegte und Stille kehrte ein.
Um ihn herum raschelte es. Fette Ameisen krochen über sein Gesicht. Käfer krabbelten über seine Arme und irgendetwas Größeres bewegte neben ihm die Blätter. Vielleicht eine Schlange. Sveno konzentrierte sich auf seinen Atem und auf den Illusionszauber. Die Angreifer konnte er nicht sehen, aber er hörte, wie sie über die Straße marschierten und sich mit briletischem Akzent Kommandos zubrüllten.
„Er ist weg!“
„Unmöglich.“
„Such die Umgebung ab. Wahrscheinlich versteckt er sich.“
Etwas kroch auf seine Brust. Sveno blinzelte. Glänzende Schuppen. Ein breiter Nackenschild mit Zeichnung. Er tippte auf Brillenschlange. Brodelnde Finsternis, die Viecher waren giftig. Sveno biss sich auf die Zunge. Die Schlange hatte keinen Grund, ihn anzugreifen, solange sie sich nicht bedroht fühlte. Außerdem konnte er das Gift mit Magie aus seinem Körper ziehen. Aber womöglich würde ihn die Aktion seinen Illusionszauber kosten und höchstwahrscheinlich würde er schreien. Sveno versuchte, flach zu atmen.
Ganz in der Nähe schlug jemand mit einem Speer ins Dickicht. Die Schlange erstarrte. Sveno schloss die Augen und wob eine unsichtbare Magiebarriere über sich. Sie würde zwar einen Schlag abwehren, aber wahrscheinlich Verdacht erregen. Denk nach. Sveno schluckte. Er veränderte seine Magie so, dass die Barriere elastisch wurde. Und schon im nächsten Moment prallte etwas darauf. Die Schlange ringelte sich davon. Der nächste Stoß ging ein Stück weiter rechts in die Blätter. Schritte entfernten sich.
Sveno atmete aus. Sein Zauber zerfaserte, kaum, dass er sich nicht mehr darauf konzentrierte.
„Ich finde nichts“, sagte eine Stimme nach einer Weile.
„Ist sonst noch einer am Leben?“
„Sieht nicht danach aus.“
Ein Fluch erklang. „Wir hätten diese ausländischen Technologien gut gebrauchen können. Sie könnten in Verbindung zum Tempel stehen.“
„Wir schaffen es auch ohne sie.“
„Natürlich! Es wäre nur ein Vorteil gewesen …“
Also war der Angriff kein Zufall gewesen. Sie hatten es auf die skerische Delegation abgesehen gehabt. Aber von welcher Technologie sprachen sie? Sveno zog die Brauen zusammen. Vor ein paar Jahren war die magische Wirkmacht von Glas, das aus skerischem Sand hergestellt wurde, wiederentdeckt worden. Vollständig entschlüsselt war sie jedoch nicht. Aber nun, das verstanden diese Fremden wahrscheinlich nicht. Vielleicht gingen sie davon aus, dass er mehr darüber wusste, als tatsächlich der Fall war. Verdammt, er wünschte, er wüsste mehr darüber. Wahrscheinlich hatte seine Schwester Informationen, die sie ihm absichtlich vorenthielt. Nun, sie beide schlugen nicht immer denselben Kurs ein.
„Nehmt euch, was ihr wollt, dann brechen wir auf.“
Sveno biss die Zähne zusammen. Hoffentlich war ihnen wenigstens Honigkuchen entkommen.
Etwas knisterte.
„Denkst du wirklich, das bringt etwas?“
„Es macht mich wahnsinnig zu wissen, dass er wahrscheinlich irgendwo hier hockt und sich ins Fäustchen lacht.“
„Tja, wenn es dir dann bessergeht.“
Sveno fragte sich, wie weit er sich unter seinem Illusionszauber aufrichten konnte, ohne dass sie ihn bemerkten. Gelbe Magie loderte irgendwo in der Nähe und ein Geschoss schlug dumpf neben ihm ein. Zwei Herzschläge später bohrte sich eine Spitze in seine Brust.
Sveno biss sich ins Handgelenk, um seinen Schrei zu unterdrücken. O Scheiße, dachte er und lenkte Heilmagie in die Wunde. Sein Illusionszauber zitterte bereits. Er raubte ihm unnötig Kraft, die er brauchte – um zu überleben. Doch die Fremden waren immer noch hier. Es dauerte eine Ewigkeit, bis sie sich endlich von der Lichtung entfernten. Und zu diesem Zeitpunkt war Sveno schon so schwindlig, dass er es kaum mehr mitbekam.
Bleib wach, dachte er und griff nach dem Pfeilschaft, der aus seinem Körper ragte. Doch seine Kraft reichte nicht mehr, um ihn herauszuziehen.
Ich darf verraten, dass Sveno den Überfall überleben wird, schließlich gibt es noch weitere Kapitel aus seiner Sicht. Die anderen beiden Perspektiven sind die von Prinzessin Inea Schekedien, der Protagonistin, und ihrer Schwester, Segna Schekedien. Früher oder später werden alle drei zusammentreffen (im Fall von Sveno und Inea eher früher) und dann geht es ab durchs Dickicht, in verfallene Tempel, Paläste, überflutete Straßen und über rauschende Flüsse.




Kommentare