Ich habe schon länger ein angefangenes Prequel zu "Das Licht aus dem Nebel" auf dem PC liegen - und nun soll es fertig werden. Es spielt Epochen früher in einer Zeit, als Sasberg noch nicht einmal gegründet wurde, nämlich der Steinzeit. Sein Gründer Saso Kahragon ist allerdings bereits unterwegs.
In dem Roman geht es um verfeindete Stämme, um Götter, um Nebel und um die Entdeckung der Magie. Und es geht wieder um die Kahragons bzw. ihre Vorfahren. Hier beginnt die Dynastie, die später zu erheblicher Macht kommen wird. Und die Familie ist von Anfang an mit der Magie verbunden.
Im finde, es herrscht im Bereich "High Fantasy" ein eklatantes Defizit an Steinzeit-Settings. Warum muss es denn immer das Mittelalter sein? Spätere Epochen sind interessant. Frühere Epochen sind auch interessant. Die Steinzeit ist interessant. Dieses Setting birgt jedoch auch ein paar besondere Herausforderungen. Ich muss ohne Schwerter und Rüstungen klarkommen und noch viel schlimmer: ohne Städte, Paläste, Königshöfe. Dafür gibt es aber Beile, Steinkreise und Häuptlinge. Und leuchtende Fische. Oder waren es sprechende?
Hier bekommt ihr einen exklusiven Einblick ins Projekt, nämlich in das erste Kapitel (noch nicht bearbeitet, deshalb mit Vorsicht zu genießen, aber trotzdem ganz witzig, glaube ich):
Im Schluchtenland, Saso Nebelläufer
Der Häuptling des fremden Stammes hieß Wotto, was an und für sich völlig in Ordnung war. Kräftig und einfach zu merken. Dass ihm seine Leute allerdings den Spitznamen Haudrauf – kräftig und einfach zu interpretieren - verpasst hatten, stimmte Saso alles andere als zuversichtlich. Wotto war ein gutes Stück größer als er selbst und seine nackten Oberarme verrieten, dass er in der Tat wohl öfter auf Dinge – auch solche lebendiger Art – draufhaute. Als wäre das noch nicht genug, schleppte er eine bodenlose Frechheit an Waffe mit sich herum.
Saso selbst, bescheiden wie er war, hatte sich einen eleganten, gekonnt bemalten und insgesamt ziemlich raffiniert aussehenden Speer gebastelt, während Häuptling Haudrauf mit einem Hammer daherkam. Saso schluckte. Mit Oldo Brüller hatte er nur bis aufs erste Blut gekämpft. Aber wie hart musste man mit dem verdammten Hammer draufhauen, damit das Opfer – also Saso – blutete? Mit einer kleinen Schnittwunde würde dieser Kampf hier nicht erledigt sein.
Nun denn, die Sache hatte bestimmt auch etwas Gutes. Saso schluckte. Saso schluckte noch einmal. Nur einfallen wollte ihm einfach nichts. Immerhin war es ein schöner Morgen. Die Sonne leuchtete gelb am Horizont und ließ die Tautropfen im Gras glitzern. Zwischen ihnen hingen schimmernde Spinnennetze. Die Felsen im Schluchtland formten ein einprägsames Muster. Die Bäume an den Hängen … Ach, verdammt. Saso wusste, dass er sich mit der Betrachtung der Landschaft nur selbst ablenken wollte. Ich schinde Zeit. Und das macht mich zu einem Feigling. Ein solcher wollte er durchaus nicht sein.
Haudrauf stapfte auf ihn zu. Hinter ihm standen die Leute aus seinem Stamm: zwei Schamanen mit Masken ganz vorne, dahinter in Berglöwenpelze gehüllte Frauen und Männer, die sich auf Knüppel stützen und Saso grimmig musterten. Und das war genau der Haufen, den anzuführen er sich vorgenommen hatte. Wenn alles gutging. Was, Saso blickte auf den Hammer, nicht unbedingt wahrscheinlich war.
„Nun, also …“ Er räusperte sich. „Ich, Saso Nebelläufer, fordere hiermit -“
„Du bist der Kahragon?“, unterbrach ihn Haudrauf. Sogar seine Stimme hatte etwas Hämmerndes. Er blieb vor Saso stehen und musterte ihn von oben bis unten – was schnell erledigt war, denn Saso war nicht sonderlich groß.
„Ähm ja, so nennen sie mich“, sagte Saso.
Haudrauf pfiff anerkennend. Die Leute hinter ihm raunten. Die grimmigen Gesichter waren prompt weniger grimmig, sondern vielmehr neugierig, vielleicht sogar ein wenig aufgeschlossen. Was es einfacher machen würde, diesen Haufen zu führen – wobei das ja egal war angesichts dieses dämonenverseuchten Hammers.
„Und, bist du wirklich durch die Nebel gelaufen?“, fragte Haudrauf.
Saso zuckte mit den Schultern. „Gegangen, gelaufen, um mein Leben gerannt ... was auch immer.“
Haudrauf legte den Kopf schief. „Und, was hast du dort gesehen?“
Saso hob die Schultern. „Na Nebel.“
„Und sonst?“
„Man sieht nichts im Nebel.“ Saso lächelte seinen Kontrahenten an, als wäre er ein Kind, das die Welt noch nicht versteht. Ein wenig Einschüchterung vor dem Kampf konnte schließlich nicht schaden. Zumindest glaubte er das. Denn Einschüchterung hatte noch nie zu seinen Talenten gehört.
Haudrauf spuckte auf den Boden. „Hat sich also nicht gelohnt.“
Lohnt sich nicht alles im Leben? Außer vielleicht ein Kampf mit Wotto Haudrauf ... aber sonst ...
„Na ja, ich habe einen ausgefallenen Namen bekommen.“ Saso grinste kurz.
Haudrauf nickte heftig. „Stimmt. Gut gemacht.“
Einen Moment lang blickten sie sich voller gegenseitigen Respekts in die Augen und Saso hing der Vorstellung nach, er könnte sich einfach dem Stamm anschließen und mit Haudrauf ein paar Geschichten am Lagerfeuer austauschen. Dann räusperte er sich. „Wo war ich?“
„Du wolltest mich zum Zweikampf herausfordern, um Häuptling meines Stammes zu werden“, sagte Haudrauf hilfreich und schulterte seinen Hammer.
Saso schluckte. Und schluckte noch einmal. „Ah, ja, genau. Das wollte ich.“
„Blöde Idee“, bemerkte Haudrauf.
So viel Weisheit hätte ich dir gar nicht zugetraut.
„Ja, das stimmt.“ Saso sah sich gerne als ehrlichen Menschen, deswegen kam er nicht umhin, seinem Gegner in dieser Angelegenheit rechtzugeben.
Haufdrauf runzelte die Stirn. „Dann lass es doch.“
Saso schloss die Finger fest um seinen Speer. „Geht nicht. Ich habe jemandem versprochen, Großes in meinem Leben zu vollbringen.“
„Deiner Mutter?“
Verdammt. Wahrlich ein weiser Mann. „Ähm“, sagte Saso.
Haudrauf pfiff noch einmal. „War bestimmt eine große Frau.“
„Nein, kleiner als ich.“
Saso wechselte den Speer in die linke Hand. Die meisten Leute fanden das komisch, aber er konnte ihn so einfach besser halten und es brachte die Gegner aus dem Konzept.
„Also dann“, sagte Haudrauf.
„Also dann“, sagte Saso.
Er brachte seine Waffe in Position, sah wie Haudrauf mit dem Hammer ausholte, warf sich zur Seite und spürte einen Schlag auf den Kopf, der ihm Schwärze vor die Augen trieb.
„He, Kahragon.“
Oh, es hatte also etwas Gutes. Genau wie er vermutet hatte. Er hörte die Stimme seiner Mutter. Ihren lieblichen Klang. Wie die Laute der Vogelgötter. An die er eigentlich nicht glaubte. Aber wenn es Vogelgötter gäbe, dann wäre seine Mutter sicherlich bei ihnen auf ihren Geisterbäumen. War sie aber nicht.
„Kahragon? Nebelläufer?“ Jemand zupfte an seiner Schulter. „Wie hieß der Kerl mit Vornamen?“
„Soso?“
„Nein, Saso“, würgte er hervor. Seine Mutter sollte das wissen. Innerlich seufzte er. Tot war er schon einmal nicht. Außer es gab doch ein Jenseits und seine Mutter war nicht hier. Was er für unwahrscheinlich hielt. Natürlich könnte es auch verschiedene Jenseitse geben und er war in dem gelandet, wo niemand wusste, wie er hieß. Welche Form grausamer Marter wäre es, bis in die Ewigkeit mit Soso angeredet zu werden? Zu schrecklich für alle Götter, von denen ihm die Schamanen erzählt hatten. Also war er wohl oder übel noch am Leben. Wie war das denn passiert?
Saso blinzelte vorsichtig. Über ihm hing ein hübsches Frauengesicht, das nur zur Hälfte mit einer schwarzen Maske bedeckt wurde.
„Hallo“, sagte Saso. Seine Stimme klang so feierlich wie das Gebrüll der Ziegen.
„Ich glaube, dem geht’s gut“, sagte eine andere Stimme.
„Mir geht’s gut?“, wiederholte Saso. Hinter seiner Stirn summte ein Wespenschwarm, der immer wieder beharrlich gegen seine Schädeldecke schwirrte und sie löcherte. Bunte Punkte tanzten vor seinen Augen und ließen das Gesicht der jungen Schamanin verschwimmen.
„Na ja, Wotto bemüht sich inzwischen, eher zu stupsen als zu hauen“, sagte sie.
„Weiser Mann“, krächzte Saso. Wieder einmal. Dieser Wotto hatte es drauf. Haute drauf … hatte … Oh, mein Kopf.
„Man merkt, dass Wotto seinen Schädel erwischt hat“, bemerkte die andere Stimme richtigerweise.
Saso drehte den Kopf ein wenig und machte die Silhouette einer weiteren Gestalt neben sich aus. Ein junger Mann mit demselben rotbraunen Haar wie die Schamanin. Geschwister vielleicht? Zumindest trug auch er eine Halbmaske, doch sie war rot.
„Erwischt? Eingeschlagen, würde ich sagen“, sagte die Frau.
„Dann hätte er ja ein Loch“, sagte der Mann.
„Da sollte auch ein Loch sein. Siehst du das Blut?“ Sie zog Saso an den Haaren und hob seinen Kopf damit ein Stück in die Höhe. Blitze zuckten vor seinen Augen und er brüllte auf. Dann sank er wieder zurück.
„Ist wohl nicht von ihm“, sagte der Schamane.
„Von wem dann?“
„Woher soll ich das wissen?“
„Es ist seines. Es hat gespritzt, als Wotto ihn getroffen hat.“
„Aber wenn da doch kein Loch ist.“
„Aber da sollte ein Loch sein. Oder glaubst du, ich habe mir das eingebildet?“
„Es fühlt sich an, als wäre da ein Loch“, pflichtete Saso bei. „Jedenfalls würde ich das sagen, wenn ich wüsste, wie es sich anfühlen müsste, wenn da ein Loch wäre.“
„Da ist aber kein Loch“, sagte der Mann.
Saso versuchte sich aufzusetzen. Die Schamanin packte ihn beherzt am Hemd und riss ihn so vorwärts. Saso stöhnte. Loch. Kein Loch? Er war noch am Leben.
Um ihn herum wuchs Gras. Der Tau war verschwunden und die Sonne stand mittagsgrell über ihm. Die Konturen der Felsen zeigten sich nun unspektakulär gleichförmig und einige Insekten schwirrten durch die Luft.
„Wo bin ich?“, fragte er.
„Genau da, wo der Häuptling dich erwischt hat“, sagte der Mann.
„Dir den Schädel eingeschlagen hat, um genau zu sein“, sagte seine Schwester.
„Aber da ist doch kein -“
Die Schamanin schnaubte laut. „Also, jedenfalls kannst du bleiben, bis du wieder auf den Beinen bist. Dann solltest du allerdings weiterziehen. Wotto Haudrauf will keine Konkurrenten in seinem Stamm. Nicht einmal so hoffnungslose wie dich.“
„Verstanden“, murmelte Saso. „Dann suche ich mir eben einen anderen Stamm.“
Die Lippen der Frau zuckten kurz. „Gute Idee, solange du nicht wieder den Häuptling herausforderst.“
Wahrscheinlich war es am besten, nicht darauf zu antworten. Wenn er zugab, dass er genau das vorhatte, würden sie ihn für verrückt halten. Andererseits wäre das nicht mehr und nicht weniger als die Wahrheit.
Das kühle Wasser prickelte beinahe schmerzhaft auf seiner Kopfhaut, aber es wusch das Blut davon. Saso kniff die Augen fest zusammen und tauchte den Kopf noch einmal unter. Als er blinzelte, waren die Wogen des Flusses rot. Das konnte doch unmöglich alles von ihm sein.
Die Abendsonne glitzerte auf den Wellen. Am anderen Ufer leuchteten die ersten Irrlichter. Saso sah hinüber. Als hätten sie seinen Blick bemerkt, zuckten sie und hüpften davon. Er beobachtete sie noch eine Weile, wie ihre Gestalten durch das hohe Gras flussaufwärts sprangen. Dann waren sie schließlich verschwunden. Heute würde er ihnen nicht folgen.
„Solltest du aber.“
Ah, sie sprach wieder zu ihm. Saso war nicht in der Stimmung zu antworten. Er strich seine nassen Haare zurück und wunderte sich über die seltsame Färbung des Wassers, die einfach nicht davonschwimmen wollte.
Dann zuckte er mit den Schultern, sammelte seine wenigen Habseligkeiten zusammen und erhob sich. Er blickte nach Westen und beschattete die Augen mit der Hand. Die Sonne stand über den Felskämmen. Wind fegte über sie hinweg und ließ ihn frösteln.
Im Süden waren die Stämme von Häuptling Fullo Todpflücker, Moko dem Baum und Nurno Silberfuß unterwegs. Und wahrscheinlich noch andere, von denen er nur noch nichts gehört hatte. Gegen keinen der drei Männer hatte er schon einmal gekämpft, aber sie waren alle berüchtigt.
Saso seufzte. Sein Kopf schmerzte noch immer. Er schnippte mit den Fingern und blaue Funken erschienen auf seiner Haut. Saso drückte sie an die Stelle, wo Wotto Haufdrauf draufgehauen hatte und schloss einen Moment lang die Augen. Seine Haut pulsierte angenehm und der Schmerz zog davon. Einfach so. Es hat dermaßen viele Vorteile, verrückt zu sein, dachte Saso. Wenn die anderen das wüssten, würden sie alle liebend gerne ihren Verstand zugunsten seltsamer Stimmen und verwirrender Lichtsprengsel hergeben.
„Ich bin keine seltsame Stimme.“
„Hm“, sagte Saso.
„Und deine Magie ist auch nicht seltsam. Denk doch mal nach, Junge.“
„Kopfschmerzen“, sagte Saso.
„Die Zeit ist reif. Die Quelle wird versiegelt werden. Ich brauche nur genug Blut dafür.“
„Klappe, Fini“, sagte Saso und folgte dem Verlauf des Flusses.
„Falsche Richtung!“
„Ich brauche einen Stamm.“
„Du hast aber keinen. Nach all den Jahren hast du es immer noch nicht geschafft, Häuptling eines Stammes zu werden.“
Saso schnaubte. Warum musste sie es ihm auch noch unter die Nase reiben?
„Hör zu, es ist viel passiert seitdem.“
Saso rollte mit den Augen. „Natürlich ist viel passiert. Ich war, ähm, zwölf oder sowas?“
„Man bräuchte einen ganzen Stamm von Menschen, die nicht mehr als einen Funken Magie im Blut besitzen. Wenn du aber welche findest, mehr Kraft in sich tragen, würden wenige vielleicht reichen. Sie sollten einfach zu erkennen sein. Die Magie ist bei -“
Ein kühler Windstoß wirbelte durch seine Haare. Saso hielt inne. „Ich verstehe nichts von dem, was du sagst.“
„Magie, sage ich! Verwirrende Lichtsprengsel hast du es genannt. Oder warum glaubst du, hast du Haufdraufs Schlag überlebt?“
„Also das habe ich mich auch schon gefragt. Aber du bist nicht hilfreich, Fini.“
„Hör auf, mich so zu nennen.“ Die Stimme schwieg einen Moment, er hörte lediglich ein leises Grollen in seinem Kopf. Dann meldete sie sich mit einem lautstarken Seufzen zurück. „Finde Leute, die so sind wie du.“
Saso lachte auf. Als ob es jemanden gäbe, der so war wie er.
„Ich werde dir welche schicken.“
„So? Ich dachte immer, du sprichst nur zu mir?“
„Sei kein Idiot, Junge.“
Saso zuckte mit den Schultern und marschierte weiter. Die Dunkelheit würde bald einbrechen und mit ihr kam das Licht. Seltsame Zeiten, würde er sagen, wenn sie nicht schon immer seltsam gewesen wäre. Zumindest für ihn.
So viel zu Saso Nebelläufer Kahragon. Freut euch darauf, ihm im Roman wiederzubegegnen. Mit ihm kommen Merana, die ein riesiges Beil schwingt (oder es zumindest versucht), Fullo Todpflücker Gundoran, der jüngste Häuptling weit und breit, Kela Rot, eine Schamanin, die gerne Leute schlägt, und natürlich Selara, die Göttin, die die Welt mit Magie flutet. Seid gespannt. News gibt's hier und auf Social Media.
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