Wenn der Heiligenschein blendet – High Fantasy mit Göttern
- Kornelia Schmid

- vor 4 Tagen
- 5 Min. Lesezeit
In Welten, in denen Magie selbstverständlich ist, wandeln oft auch Götter und greifen direkt in das Geschehen ein. Dabei gibt es unterschiedlichste Möglichkeiten, diese übernatürlichen Gestalten in das Worldbuilding mit einzubinden. Hier stelle ich ein paar High Fantasy Bücher und Buchreihen vor, in denen Götter eine wichtige Rolle spielen.

Ob transzendent oder stofflich, tot oder lebendig, menschenähnlich oder abstrakt – die übergroße Macht der Götter kann eine Handlung ziemlich anfachen. Für diesen Artikel habe ich abgeschlossene High Fantasy Reihen und Einzelbände für Erwachsene ausgewählt, in denen Götter nicht nur im Hintergrund sind, sondern tatsächlich in Gestalt auftreten und zu den Menschen sprechen (auch in Gedanken).
Original-deutschsprachige Buchreihen mit auftretenden Göttern

In Bernhard Hennens "Drachenelfen" ist unklar, ob die Alben und die Devanthar tatsächlich Götter sind. Sie werden von den Elfen bzw. von den Menschen aber als solche verehrt. Während sich die Alben weitgehend aus ihrer Welt zurückgezogen haben und ihrer Schöpfung die Freiheit lassen, mischen sich die Devanthar sehr direkt in die Belange der Menschen ein. Jeder Devanthar regiert eines der Menschenreiche durch einen auserwählten menschlichen Herrscher. Das Machtvakuum in der Elfenwelt wiederum haben die Drachen für sich genutzt: Sie leben fast ebenfalls wie Götter, da sie mächtige Magie beherrschen und Gedanken lesen können. Die Reihe erzählt von dem Konflikt zwischen Devanthar und Drachen, der Rolle der Alben und schließlich dem (sich abzeichnenden) Untergang aller drei Wesenheiten. Dabei erzählen die Romane in die Breite aus der Sicht von Elfen, Menschen und Zwergen, wie diese die Eskalation erleben bzw. zu ihr beigetragen haben.

Dass auch in "Minen der Macht" Götter auftauchen, ahnt man weder im ersten noch im zweiten Band, im dritten vielleicht und im vierten wird es schließlich klar. Es sind feindliche Götter, die hier agieren, und ihre Motivationen zu nennen, würde zu viel spoilern. Womöglich, die Romane deuten es an, sind die Götter sogar Aliens? Jedenfalls üben sie einen unheimlichen Einfluss auf die Menschen und auch das Volk der Aschlinge aus und versuchen beide zu ihren Gunsten auszubeuten. Bevor es aber dazu kommt, lesen sich die ersten drei Romane auch gut als Einzelbände mit Krimihandlung in einem originellen Setting.

In Richard Schwartz' Romanen "Das Geheimnis von Askir" und der direkten Fortsetzung "Die Götterkriege" will ein dunkler Kult einen toten Gott wiedererwecken. Die Bücher erzählen im Stil einer Dungeons-and-Dragons-Kampagne die Abenteuer einer Heldengruppe, von Kämpfen, magischen Artefakten, Fabelwesen und eben auch Göttern. Die Handlung ist nicht tiefgängig, aber unterhaltsam, das Frauenbild der inzwischen nicht mehr ganz so modernen Bücher teilweise aber leider etwas angestaubt – lesen sollten die Reihen deshalb nur diejenigen, die darüber hinwegsehen können.
Original-englischsprachige Buchreihen mit auftretenden Göttern

In Brent Weeks "Licht-Saga" kontrolliert eine kirchenähnliche Institution den Glauben – manches Wissen, manche Aspekte der Geschichte gelten als Kanon, andere werden verheimlicht. Das Oberhaupt der Kirche ist das Prisma Gavin Guile, einer der Protagonist:innen. Nur, dass Gavin selbst überhaupt nicht an seinen Gott glaubt und somanche Zeremonie für eine Farce hält. Diese Konzeption bietet genug Zündstoff für eine spannende High-Fantasy-Reihe. Der Glauben ist dabei außerdem eng mit dem Magiesystem verwoben – das Verlassen der religiösen Pfade führt schon mal zu neuen Fähigkeiten. Und die Götter? Dazu werde ich nun nichts spoilern, aber man muss schon bis zum letzten Band kommen, um Greifbares von ihnen zu erfahren.

In Brian McClellans "Powder-Mage-Chroniken" haben die Götter die Welt verlassen. Doch eine Gruppe mächtiger Magier:innen möchte sie bzw. den Hauptgott der Kirche zurückholen. Nur schlecht, wenn der Gott überhaupt nichts von den Menschen wissen will, die ihn aus der Welt getrieben haben, ja, sogar einen Hass auf sie empfindet. Das führt natürlich zu einer dramatischen Auseinandersetzung. Und auch die Folgetrilogie "Die Götter von Blut und Pulver" beschäftigt sich mit Göttern bzw. ihrer Entstehung. Dabei geht es in dieselbe Welt, nur eben ein paar Jahre später. Eingebunden ist das ganze Szenario in ein Setting, das von der Französischen Revolution inspiriert wurde, es geht also auch um Kämpfe, Militärstrategie, Politik und Umstürze – und das Ganze mit Schusswaffen und einem Magiesystem, das auf Schießpulver ausgerichtet ist.

In Robert Jackson Bennetts "Die Stadt der tausend Treppen" sind die Götter tot. Die Menschen haben eine Waffe entwickelt und sie dadurch physisch getötet – zumindest die meisten von ihnen. Denn einige göttliche Wunder bestehen nach wie vor und wecken den Verdacht, dass der ein oder andere Gott sich vielleicht doch noch irgendwo versteckt und bereit ist, Rache zu nehmen. In dem Roman verschwimmen Realität und göttliche Magie, überlagern sich, erzeugen merkwürdige Interferenzen. Das ergibt ein sehr originelles und spannendes Setting. Und auch die beiden Folgebände "Die Stadt der Klingen" und "Die Stadt der träumenden Kinder" erzählen Geschichten aus dieser Welt, die bereits auf den Weg in die Moderne ist, mindestens jedenfalls im 19. Jahrhundert.

In Rebecca F. Kuangs Trilogie "Im Zeichen der Mohnblume" besitzen Schamanen die besondere Fähigkeit, Götter in ihren eigenen Verstand einzulassen und dadurch Zugriff auf ihre Macht zu erlangen. Das zerstörerische Potenzial dieser Konzeption ist in vielerlei Hinsicht immens. Wer sich auf diesen Handel einlässt, opfert psychische Gesundheit sowie langfristig auch das eigene Leben für eine Macht, die viel zu groß ist, um inmitten der Menschen existieren zu dürfen. Eben dieser Thematik widmen sich die Bücher und zeigen dabei eindringlich die Schrecken der Kriege und die Lügen und Selbstsüchtigkeit der Menschen, die sie führen – sicherlich nichts für schwache Nerven.

In dieser späteren Epoche der Nebelgeborenen-Welt aus der Feder Brandon Sandersons haben sich verschiedene Religionen etabliert. Wer die Vorgängertrilogie kennt, weiß über den Ursprung so mancher Gottheit auch bestens Bescheid. Protagonist Wax jedenfalls ist ein Anhänger des "Einträchtigen" und über einen Metallohring (das entspricht ganz dem Magiekonzept dieser Welt) kann er auch mit ihm kommunizieren. Und so gibt ihm der Gott wohlmeinende Ratschläge. Die Reihe ist spannend, lässt ein wenig Western-Setting aufkommen und zeigt, dass auch Fantasywelten sich über die Zeit hinweg weiterentwickeln können.
Einzelbände mit auftretenden Göttern

In Terry Pratchetts Roman "Einfach göttlich" sind Götter dem Titel entsprechend natürlich Programm: Vor allem ein Gott, der große Gott Om, der in Gestalt einer Schildkröte auftritt. Om hat das Problem, dass ihm die Gläubigen abhanden gekommen sind und dadurch auch seine Macht bis zur beinahen Hilflosigkeit zusammengeschrumpft ist. Der Einzige, den er noch zum Glauben bewegen kann, ist ein einfältiger Tempelgärtner. So so ist es ebenjener, der notgedrungen zu Oms Messias aufsteigen muss. Der Roman ist, wie man es von Pratchett gewohnt ist, eine witzige und intelligente Auseinandersetzung mit Religion und Göttern.
In meinem High Fantasy Steinzeit Roman "Die Stimme im Licht" geht es ebenfalls um Religion: Die Menschen in diesem Steinzeitsetting verfolgen keinen einheitlichen Glauben. Stattdessen ehrt jeder Stamm seine eigenen Götter, deutet die Zeichen der Natur als ihr Wirken und betet, wenn nichts passiert, vielleicht auch mal zu den Göttern anderer Stämme. Nur Meranas Stamm betet eine einzelne Göttin an. Und als diese Merana in Gestalt eine Fisches erscheint und ihr Befehle erteilt, muss Merana diesen natürlich folgen – hinein in die ebenso gefährlichen wie mysteriösen Nebelsümpfe.

Und weil wir schon dabei sind: Einen Gott gibt es auch in meinem High Fantasy Dschungel Roman "Der Palast im Regen". Die Handlung dreht sich vor allem um Intrigen, aber eben auch uralte Tempel im Regenwald und einen religiösen Kult, der einen Gott in die Welt zurückholen will. Dass dabei nicht alles so läuft, wie die Charaktere erwarten, darf man sich denken.




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