Walküre, Fee, Amazone? – Frauengestalten in der Mythologie
- Kornelia Schmid
- 21. Apr.
- 4 Min. Lesezeit
In der Fantasyliteratur gibt es einige Wesen, die fast immer als weiblich dargestellt werden. Dazu gehören Walküren, Feen und Amazonen. Die drei Fabelwesen haben Einiges gemeinsam. Doch es gibt auch wichtige Unterschiede. Hier erkläre ich die Hintergründe.

Walküren, Feen, Amazonen – alle drei Frauengestalten treten in der Literatur des Mittelalters auf, obwohl sie aus unterschiedlichen Mythologien stammen (nordisch, keltisch und griechisch). Die Texte, in denen sie vorkommen, sind aber tatsächlich auch ganz unterschiedlich und damit entsprechend auch die Darstellung dieser magischen Frauen. Dass magische Frauen oft in einer der drei Kategorien fallen, zieht sich bis in die moderne Fantasyliteratur. Deswegen hier ein kleiner Überblick über die Grundideen hinter den Mythen.
Feen – liebreizend und unheilvoll
Viele mittelhochdeutsche Texte bedienen sich an Motiven, die ursprünglich aus der keltischen Mythologie stammen. Feen gehören dazu. Der berühmteste Text des deutschsprachigen Mittelalters mit einer Fee ist wahrscheinlich der "Tristan" Gottfrieds von Straßburg. Isolde kann hier als Fee gelten – ihre mit magischen Kräften ausgestattete Mutter ist bestimmt eine. Auch im "Iwein" Hartmanns von Aue kann man die Königin, die der Held Iwein heiratet, durchaus als Fee verstehen.
Auch wenn Feen, wie man das in heutigen Darstellungen häufig findet, keine Schmetterlingsflügel oder Ähnliches besitzen, werden sie definitiv als übernatürlich schön dargestellt. Kein Wunder, ihre Heimat ist die Anderwelt, sie sind also nicht menschlich und stammen aus einer Paralellwelt. Die Grenze zu dieser Welt liegt oft an einer Quelle. Entsprechend trifft man Feen auch häufig an derartigen magischen Gewässern an. Feen möchten ihre Quellen beschützen, sind dazu jedoch trotz ihrer Zauberkräfte selbst nicht in der Lage. Das liegt daran, dass ihre Magie in der Regel heilend ist. Schwer verwundete Helden können oft nur durch die Macht einer Fee geheilt werden. Und das trifft sich auch gut: Denn Feen versuchen in den entsprechenden Erzählungen oftmals Männer für sich zu gewinnen, damit diese dann die Beschützer ihrer Quelle werden.
Feen sind von den drei Fabelwesen also in gewisser Weise zwar die magiebegabtesten, aber auch am wenigsten selbstbewussten Wesen, denn sie sind eigentlich immer auf Männer angewiesen. Es gibt sowohl gute als auch böse Feen. Letztere verführen Männer und halten sie auf ewig in ihrem Reich gefangen.
Dass es so oft Gewässer sind, die mit Feen assoziiert werden, hat einen besonderen Feentypus hervorgebracht: die Meerjungfrau. Viele entsprechende Erzählungen zeigen die typischen Elemente: Auch Meerjungfrauen versuchen, Männer zu verführen und ins Wasser zu locken. Sie sind aber weniger ambivalent als Feen, sondern weitaus häufiger böse. Die Anthologie "Meerjungfrauen – Das geheime Leben der Fabelwesen", in der auch eine Geschichte von mir zu finden ist, sammelt solche Erzählungen, mal mehr, mal weniger traditionell.
Walküren – wehrhafte Totengeister
Mittelalterliche Texte der germanischen Tradition sind eher Heldenepen – das prominenteste Beispiel ist natürlich das "Nibelungenlied". Eine Walküre tritt hier in Gestalt der Königin Brünhild auf – und die ist übermenschlich stark und verfügt über Zauberkräfte.
Tatsächlich besitzen Walküren generell magische Kräfte, denn eigentlich sind sie Totengeister. Sie kommen auf Schlachtfelder und holen die Krieger ab, die dort heldenhaft gefallen ist, um sie nach Walhall zu bringen. Das ist eine besondere Ehre – nur Krieger dürfen diesen Ort im Jenseits besuchen, alle anderen kommen der germanischen bzw. nordischen Mythologie entsprechend nach Hel, wo es weniger hübsch zugeht (keine rauschenden Feste, sondern Winterkälte). Übrigens, wenn eine Walküre über den Himmel zieht, spiegelt sich das Mondlicht in ihrer Rüstung, wodurch ein besonderes Leuchten in der Nacht entsteht. Gemeint sind Polarlichter, die sich die Wikinger so erklärten.
Walküren sind als Totenbegleiterinnen selbst oft wie Kriegerinnen ausgerüstet und haben eine besondere Beziehung zu Raben. Das erklärt natürlich, warum sich diese so oft auf Schlachtfeldern aufhalten, zumindest der Logik der Mythologie nach. Walküren können durch die Augen der Raben sehen oder sich auch selbst in solche verwandeln. Eine Erzählung über die Walküre Hildr berichtet außerdem, dass diese die Toten wiedererweckt, damit sie am nächsten Tag erneut auf dem Schlachtfeld kämpfen und sterben können.
Walküren haben damit mehr Macht als Feen, aber sie gelten als "Töchter Odins" und sind immer noch an dessen Befehle gebunden, also eigentlich Dienerinnen. Wirklich eigenständig agieren können sie deswegen eher nicht. Die Anthologie "Yggdrasil der Weltenbaum – Valkyren, die Töchter Odins" sammelt Geschichten zu dieser Thematik, unter anderem mit einer Erzählung von mir.
Amazonen – starke Kriegerinnen
Amazonen stammen aus der griechischen Mythologie und kommen auch in römischen Texten vor. Im Mittelalter gibt es sie ebenfalls und zwar dann, wenn sich Erzählungen an den antiken Überlieferungen bedienen wie beispielsweise die mittelalterliche Version der Aeneis.
Amazonen sind weibliche Kriegerinnen und verteidigen sich selbst. Das haben sie Feen voraus. Gegenüber den Walküren haben sie außerdem den Vorteil in ihrem Leben, dass sie keinem Mann gehorchen müssen. Die Gesellschaft der Amazonen besteht ausschließlich aus Frauen.
Die berühmteste Zuschreibung ist vermutlich folgende: Weil Amazonen traditionell Bogenschützinnen sind, sollen sie sich die rechten Brüste abgenommen haben, damit diese beim Schießen nicht im Weg ist. Diese Idee kam von der Herleitung des Begriffs "Amazone" von dem griechischen Wort für "brustlos", was aber schon in der Antike eine umstrittene Interpretation war.
Amazonen sind damit die Selbstbewusstesten der drei Wesenheiten. Allerdings haben sie im Gegensatz zu den beiden anderen keine Zauberkräfte (wahrscheinlich brauchen sie die einfach nicht). Die Anthologie "Schwertgesang und Zauberschatten – Fantasy mit starken Frauen" erzählt von verschiedenen mächtigen Frauenfiguren. Die Protagonistin einer der Geschichten, die ich zu dem Buch beigesteuert habe, ist eine Amazone.
Mythische Frauen in der mittelalterlichen Literatur
Es dürfte kein Geheimnis sein, dass im Mittelalter starke Frauen nicht gern gesehen waren und das schlägt sich natürlich auch in der Literatur nieder. Feen, Walküren und Amazonen sind in der ursprünglichen Mythologie (egal, ob keltisch, nordisch oder griechisch) alle stärker als dann später in den mittelalterlichen Texten. Da wurden ihnen dann ihre Zauberfähigkeiten weitgehend genommen: Die Fee im "Iwein" wird zu einer höfischen Königin, die nicht mehr zaubern kann. Die Walküre Brünhild wird "gezähmt", indem sie verheiratet wird. Durch den Verlust ihrer Jungfräulichkeit verliert sie auch ihre Kräfte und ist ebenfalls nur noch Königin an der Seite ihres Ehemannes. Und die Amazonen dürfen zwar Kriegerinnen bleiben, werden im "Eneasroman" aber in die Kategorie "Wundervölker" einsortiert. Damit ist klar, dass diese Figuren nicht wirklich vollwertige Menschen sind, sondern ein Kuriosum genauso wie Pygmäen, Einfüßler oder Mundlose.
Moderne Rezeption
Und heute? Da bekommen die Frauenfiguren ihre Macht wieder zurück. Viele Elemente aus Mythologie und mittelalterlichen Erzählungen haben sich sicherlich erhalten, aber Feen bzw. Meerjungfrauen, Walküren und Amazonen treten inzwischen als starke und eigenständige Figuren auf. In meinen Texten kommen sie natürlich auch vor. Neben den Erzählungen in den genannten Anthologien finden sich auch in meinen Kurzgeschichtensammlungen Geschichten mit mal mehr mal weniger magischen Frauen, die von solchen Thematiken inspiriert sind.
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