Zauberringe, Gürtel, Schwerter – Der mittelalterliche Ursprung magischer Gegenstände
- Kornelia Schmid
- 21. Apr.
- 6 Min. Lesezeit
Ring angesteckt: +2 Charisma. Gürtel umgelegt: +2 Stärke. Magisches Schwert gezückt: +4 Schaden. Magische Gegenstände sind fester Bestandteil vieler Pen & Paper Rollenspiele. Viele Objekte sind echte Klassiker – und das nicht nur in der modernen Fantasyliteratur. Sie kommen bereits in mittelalterlichen Texten vor. Hier sammle ich ein paar Beispiele.

Magische Gegenstände sind ein wichtiges Thema in der deutschsprachigen Literatur des Mittelalters. Wir finden hier viele Klassiker an Objekten, die die moderne Fantasyliteratur immer noch kennt wie den Unsichtbarkeitsumhang oder den Liebestrank.
Dieser Artikel ist für alle, die gerne ein wenig in die deutschsprachige Literatur des Mittelalters hineinschnuppern möchten. Ich stelle euch die berühmtesten Texte mittelhochdeutscher Literatur vor – vom "Parzival" bis zum "Nibelungenlied".
Magische Ringe

Sicherlich hat J. R. R. Tolkiens "Der kleine Hobbit" und "Der Herr der Ringe" den Ausschlag dafür gegeben, dass magische Ringe in Fantasyrollenspielen so populär sind. Das Motiv des magischen Rings hat Tolkien aber keineswegs erfunden.
Im deutschen Raum finden wir es beispielsweise im "Iwein" Hartmanns von Aue. Dieser Roman entstand um 1200 und handelt von einem Ritter der Tafelrunde, der verschiedene Abenteuer besteht. Eines davon führt ihn in eine Burg. Iwein verfolgt den Burgherr bis zum Tor. Dort wird das Fallgitter hinuntergelassen. Dabei wird nicht nur Iweins Pferd halbiert, sondern Iwein ist nun auch im Tor gefangen. Da taucht plötzlich ein mysteriöses Fräulein auf und übergibt Iwein einen unsichtbar machenden Ring. So kann er sich aus einer misslichen Lage befreien.
Das Fräulein ist die Dienerin einer Dame, die gerne als Fee interpretiert wird. Und was sind Feen? Genau, magische Wesen. Was haben magische Wesen? Richtig, magische Gegenstände. Aber auch in der nordischen Literatur gibt es magische Ringe, so zum Beispiel Draupnir, der Ring Odins. Fakt ist: Ringe waren im Mittelalter beliebt und sie waren auch ein wichtiges Rechtssymbol (nicht nur, wenn es um Eheringe geht). Deswegen kommen sie in den Texten immer wieder vor und dürfen manchmal durchaus magisch sein.
Magische Gürtel

Gürtel waren im Mittelalter fester Bestandteil der Kleidung. Kein Wunder also, dass magische Personen auch magische Gürtel tragen. Eine solche magische Person ist Brünhild aus dem "Nibelungenlied". Der Text stammt aus dem 13. Jahrhundert, die Überlieferung ist aber schon älter. Und Elemente des Nibelungenliedes gibt es auch in nordischen Sagen.
Im Text will der Burgunderkönig Gunther die mächtige Königin von Island heiraten. Eine gute Idee ist das nicht: Brünhild heiratet nur den Mann, der sie im Kampf besiegt – und das ist ausgesprochen schwierig, denn sie verfügt über übernatürliche Kräfte. Mit einer List besiegt Gunther sie dennoch (er wird vom Helden Siegfried unterstützt, der sich unter einem unsichtbar machenden Mantel versteckt). Gunther heiratet Brünhild also.
Brünhilds Kraft ist jedoch nicht gebrochen: In der Hochzeitsnacht hängt sie Gunter an einen Haken an der Wand. Wieder muss Siegfried Brünhild besiegen, damit Gunther die Ehe vollziehen kann (ja, den modernen Rezipient:innen dürfte es an dieser Stelle die Zehennägel aufrollen, aber im Mittelalter galt das nicht als Vergewaltigung). Siegfried nimmt Brünhild ihren Gürtel ab. Brünhild verliert ihre Kräfte.
Jetzt wird es ein wenig knifflig. Denn tatsächlich ist der Gürtel nicht magisch. Brünhild ist magisch, weil sie laut nordischer Sage eigentlich eine Walküre ist. Verliert sie ihre Jungfräulichkeit, verliert sie auch ihre Kräfte. Der Gürtel ist jedoch das ultimative Symbol für die verlorene Jungfräulichkeit (was im Text auch später noch relevant wird), deswegen geht indirekt mit dem Verlust des Gürtels auch der Verlust der Kräfte einher.
Wir halten fest: Gürtel sind ein Thema. Und so wie Brünhild übernatürlich stark ist, darf der "Gürtel der Bärenstärke" auch als echter Klassiker in "Dungeons and Dragons" gelten.
Unsichtbarkeitsmäntel
Es fiel gerade schon: Im "Nibelungenlied" gibt es auch einen Tarnmantel. Das Wort wurde oft fälschlicherweise als "Tarnkappe" übersetzt, tatsächlich handelt es sich jedoch wie gesagt um einen Mantel oder Umhang, den der Held Siegfried vom Zwerg Alberich erhält.
Der Zwerg ist natürlich eine magische Figur. Und was haben magische Figuren? Richtig, magische Mäntel. Ihr seht also, nicht nur Feen haben Zaubergegenstände, Zwerge sind da auch voll im Rennen.
Magische Waffen

Magische Waffen gab es in der mittelalterlichen Literatur natürlich auch. Das darf kaum verwundern: Die zentralen Figuren hier sind immer Ritter und natürlich führen sie Schwerter und Lanzen. Der Held Roland aus dem "Rolandslied" des Pfaffen Konrad, um 1170 entstanden, beispielsweise führt ein Schwert, in das mehrere heilige Reliquien eingearbeitet wurden. Dadurch ist es unzerstörbar. Die Magie kommt hier also nicht aus der keltischen Mythologie (wie bei den Feen-Ringen) oder der nordischen Sage (wie bei dem Walküren-Gürtel). Sondern die magische Macht ist christlich.

Auch im "Parzival" Wolframs von Eschenbach findet sich eine magische Waffe. Der Hintergrund ist hier aber ein ganz anderer als bei magischen Schwertern. Der Roman ist um 1200 entstanden und handelt von Parzival, einem jungen und sehr ungeschickten Ritter der Tafelrunde. Parzival kommt auf seiner Reise zu einer mysteriösen Burg. Er wird eingeladen an einem Festmahl teilzunehmen. Dort erlebt er eine merkwürdige Zeremonie. Vor dem Essen wird eine blutige Lanze durch den Saal getragen und die Versammelten stimmen laute Klagerufe an. Anschließend wird ein magischer Stein hereingeführt, der auf magische Weise Speisen erzeugt. Bei diesem Stein handelt es sich um den heiligen Gral (der in diesem Text im Gegensatz zu anderen Überlieferungen kein Pokal ist). Aber um den soll es nicht gehen, sondern um die Lanze. Bei der kann man natürlich sofort an die Lanze denken, die Jesus am Kreuz verwundet hat. Hier ist es jedoch der König der Burg, der von ihr verwundet wurde. Die Paralelle ist sicher beabsichtigt: Wir befinden uns schließlich auf der Gralsburg, einem heiligen Ort des christlichen Glaubens. Die Lanze ist in der Geschichte ein Symbol, das Parzival verleiten soll, Barmherzigkeit zu zeigen (was dieser allerdings versäumt). Die Lanze ist also im Gegensatz zu den magischen Schwertern nicht zum Kämpfen gedacht.
Liebestränke

Auch magische Tränke und Elixiere finden wir in alten Texten. Der berühmteste Trank ist wahrscheinlich der Minnetrank aus dem "Tristan" Gottfrieds von Straßburg. Dieser Roman bzw. das Romanfragment (das Ende ist nicht überliefert) stammt ebenfalls aus dem 13. Jahrhundert, der Stoff ist aber auch hier schon älter.
Tristan ist ein Ritter, Isolde die Verlobte von Tristans Lehnherrn, einem König. Isoldes Mutter ist eine Art Fee. Und was haben Feen? Richtig, magische Tränke. (Und Ringe, wenn ihr euch erinnert – einfach magisches Zeug halt.) Isoldes Mutter gibt ihrer Tochter einen Liebestrank mit, den sie und ihr späterer Mann nehmen sollen, damit die Ehe glücklich wird. Durch ein Missgeschick nehmen den Trank jedoch Isolde und Tristan und müssen einander nun lieben. Das führt zu vielen Verwicklungen.
Der Liebestrank ist ebenfalls ein waschechter Klassiker. Sicherlich spielt auch die spätere Vorstellung von Hexentränken eine Rolle, wenn es um die Frage geht, warum das Motiv heute so prominent in Fantasyliteratur und -spielen ist.
Heilsalben

Neben Liebestränken sind auch Heiltränke ein Klassiker. In der mittelalterlichen Literatur sind es aber eher magische Salben und Pflaster, die die Helden wundersam genesen lassen. Die Idee des Zauberpflasters hat sich zwar nicht wirklich durchgesetzt, aber in nehme es hier trotzdem mit auf, weil es sich im Gegensatz zu modernen Pflastern hierbei ursprünglich um eine salbenähnliche Masse handelte.
Ich mache gleich beim "Tristan" weiter. Isoldes Mutter (die Fee, ihr erinnert euch) heilt den todkranken Tristan (er hat sich an einem Drachen vergiftet) durch eine magische Salbe. So lernen sich Tristan und Isolde überhaupt erst kennen.
Auch Iwein bekommt eine Zaubersalbe von Feimorgan (gemeint ist die Fee Morgane aus der Artussage) aufgetragen. Die heilt ihn nicht von einer äußeren Wunde, sondern vom Wahnsinn.
Und damit ihr noch einen neuen Text kennenlernt: Im "Erec", ebenfalls von Hartmann von Aue verfasst und zwar vor dem "Iwein", zieht der titelgebende Artusritter aus, um Abenteuer zu erleben. Und nachdem er von Kämpfen verwundet wurde, kommt er in Genuss eines Zauberpflasters, das ihn vollständig heilt. Und natürlich stammt auch dieses ursprünglich aus Feenhand.
Die Idee der magischen Salben wird später zu Zeiten der Hexenprozesse noch einmal wichtig werden. Denn Hexen fliegen der Vorstellung nach nicht einfach aus eigener Kraft auf einem Besenstil umher, sondern bestreichen diesen vorher mit einer Flugsalbe, die sie vom Teufel erhalten haben. Manchmal bestreichen sie auch Ofengabeln, Fässer oder einfach sich selbst, um zu fliegen. Ihr seht also, magische Salben blieben lange populär.
Magische Gegenstände in "Dungeons and Dragons"
Begeisterte "Pen-&-Paper"-Rollenspieler:innen haben nun beliebte die beliebten Kategorien "Ringe", "Gürtel", "Waffen", "Kleidung" (dazu zähle ich einfach auch mal magische Rüstungen) und "Tränke" wiedererkannt. Was fehlt? Zauberstäbe und Schriftrollen. Nun, Zauberstäbe spielen in der bedeutsamen deutschsprachigen mittelalterlichen Literatur keine Rolle. Die Idee des Zauberstabes stammt eher aus der Antike. Man kann an den biblischen Moses denken, der gerne mit Stab dargestellt wird, während er das Meer teilt. Ähnlich sieht es bei Schriftrollen aus: Zaubersprüche sind eine alte Idee aus der Antike, die es im Mittelalter durchaus weiterhin gab (es sind tatsächlich welche in Althochdeutsch aus dem 8. Jahrhundert überliefert, nämlich die "Merseburger Zaubersprüche"). Für die Menschen des Mittelalters galten diese jedoch nicht als fantastisch – Zaubersprüche waren durchaus Teil des Alltagsleben und damit eigentlich etwas Banales. Vielleicht ist das der Grund, warum magische Schriftrollen mit Sprüchen in der fiktionalen Literatur des Mittelalters keine bedeutsame Erwähnung finden. Vielleicht liegt es aber auch einfach daran, dass die meisten Menschen im Mittelalter nicht lesen konnten und mit Schriftrollen überhaupt nichts anfangen hätten können.
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