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Writer's pictureKornelia Schmid

Die fünf schlechtesten Schreibtipps auf einen Blick

Updated: May 29

Jeder, der sich professionell mit dem Schreiben beschäftigen möchte, kommt an ihnen nicht vorbei: Schreibratgeber und in ihnen Listen über Listen an Tipps und Tricks, die man für gutes Schreiben beherzigen sollte – behaupten sie zumindest. Gerade für Anfänger ist es oft schwierig, zu sortieren, was davon bedenkenswert und was ganz großer Unfug ist. Denn ehrlich: Unfug gibt es eine ganze Menge.


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1. Verwende keine Adjektive. Niemals! Nie, nie, nie!111!!1


Warum das Unsinn ist: Sie sind mit bemerkenswerter Vorsicht, großem Bedacht und zartem Fingerspitzengefühl einzusetzen. Denn was absolut richtig ist, ist, dass Adjektive Texte oft unnötig verwässern und ihnen dadurch die Ausrucksstärke rauben. Einen Vorteil haben sie jedoch: Sie lassen sich hervorragend dafür einsetzen, einen Text zu rhythmisieren und ihm dadurch eine besondere Dynamik zu verleihen. Am Ende ist es also, wie so oft, eine Frage des Stils. Wer Adjektive nicht versehentlich, sondern ganz bewusst platziert, kann dem eigenen Text mitunter einen Gefallen tun.


2. Töte die Füllwörter! Vernichte sie alle!


Warum das Unsinn ist: Weil nämlich manche Füllwörter eigentlich ziemlich gut sind. Jeder Text sollte eine eigene Erzählstimme haben. Für diese sind nicht pauschal Füllwörter notwendig. Aber gerade dann, wenn man sehr nahe an den Figuren schreibt, können Füllwörter helfen, eine individuelle Note und dadurch mehr Lebendigkeit zu verleihen. Klar ist: Die Dosis macht das Gift. Wenn es den Charakter einer Figur aber beispielsweise betont, dass sie relativierende Formulierungen benutzt, würde Einiges verloren gehen, wenn man strikt alle Füllwörter streicht!


3. Du brauchst immer ein Plotsystem.


Warum das Unsinn ist: Die Heldenreise, die Drei-Akt-Struktur, die Schneeflockenmethode und wie sie alle heißen sind gute Beispiele, welche Dramaturgien funktionieren können. Denn dass diese Muster in der Regel gut funktionieren, ist kaum abzustreiten. Sie haben jedoch auch einen erheblichen Nachteil: Jeder benutzt sie. Dadurch verschwimmen leider allzu viele Texte zu einem vorhersehbarem Einheitsbrei. Plotsysteme dienen in meinen Augen deshalb nur als Beispiele, anhand derer sich jede:r Schreibende bewusst machen kann, welche Möglichkeiten es gibt, Spannung zu erzeugen - um diese dann eigenständig abzuwandeln, weiterzuentwickeln oder einfach komplett über den Haufen zu werfen.


4. Aber die Grammatik!


Warum das Unsinn ist: Grammatik ist eine gute Sache. Und auch dem Duden würde ich seine Nützlichkeit nicht absprechen. Aber Sprache ist nun einmal lebendig und dynamisch - sie verändert sich schneller, als der Duden hinterherkommt. Ein guter Text ist ein guter Text. Die Qualität ist nicht abhängig von grammatikalischen Feinheiten, sondern von einer durchdachten Komposition, die in sich stimmig ist. Muss man nach "wegen" immer den Genitiv setzen? Wenn man altmodisch klingen will, nur zu, dabei sollte man sich aber bewusst sein, dass heutige Sprecher:innen solche angestaubten Formen nur noch selten verwenden. Muss es immer "Sinn ergeben" heißen? "Sinn machen" ist in der Tat ein Anglizismus, aber so what? Wer sagt denn heutzutage noch "Sinn ergeben"? Nach einer wörtlichen Rede kann nur ein Sprechverb stehen? Warum sollten sie Figuren nicht auch verbal freuen dürfen (Bsp.: "Das ist super", freute sie sich.)? Ist es nicht der Job von Autor:innen, neue Verknüpfungen zu erstellen und eigene Stile zu entwickeln? Also bitte, setzt euch über festgeschriebene Sprachnormen hinweg, wenn ihr es für richtig haltet. (Wenn ihr euch hingegen unsicher seid, kann es durchaus auch eine gute Idee sein, der Lektor:in zu glauben – ganz oft hat sie nämlich auch recht).


5. Wortwiederholungen sind böööööööööse!


Warum das Unsinn ist: Verwendet man dasselbe Wort kurz hintereinander mit unterschiedlichen Bezügen, wirkt das in der Regel störend. Grund ist, dass die Rezipient:in beim ersten Lesen unbestimmt eine Verknüpfung herstellt und wenn diese dann kurz darauf zerstört wird, bewirkt das Irritation. In der Konsequenz heißt das jedoch auch: Verwendet man dasselbe Wort im selben Kontext noch einmal, muss dieser Effekt nicht unbedingt eintreten. Viele Worte werden sogar überlesen, wie beispielsweise Personalpronomen oder "sagte" (schlagt einfach mal ein Buch auf, sucht einen Dialog und schaut, wie oft "sagte" auf einer Seite vorkommt – ist euch das beim Lesen aufgefallen?). Tatsächlich kann bei ebensolchen Wörtern durch Abwechslung ein Störfaktor entstehen, nämlich dann, wenn die alternativen Formulierungen ungewollte Konnotationen abrufen. Denn Eines sollte beim Schreiben bewusst sein: Echte Synonyme gibt es nicht. Jedes Wort ist mit anderen Zuschreibungen verknüpft, je nach Verwendungskontext: "per exemplum" bedeutet genauso wenig "beispielsweise" wie "eisig" mit "eiskalt", "generös" mit "großzügig" oder "müde" mit "erschöpft" gleichzusetzen ist. Das heißt: Zwanghaft Wortwiederholungen zu vermeiden, kann einem Text unter Umständen schaden. Entscheidend ist, die richtigen Wörter an den richtigen Stellen zu verwenden.


Das waren sie also, meine Top 5. Ganz sicher gibt es noch mehr (die sich anbiedern, in einem Beitrag namens "Die schlechtesten Schreibtipps auf einen Blick, Teil 2" genannt zu werden – der vielleicht irgendwann einmal von mir geschrieben wird). Um hier aber nicht allzu deprimierend zu enden, zum Abschluss noch ein paar gute Tipps:


1. Vermeide Klischees.


Denn Klischees sind abgegriffen, überzeichnet und hohl. Vor allem in kurzen Texten kann es aber notwendig sein, auf bekannte Muster zurückzugreifen, um es den Rezipienten zu ermöglichen, eine Figur oder Situation schneller einzuordnen, ohne dass sie ausführlich erklärt werden muss. Aber bitte: Klischees sind dafür keine Lösung! Kommt eine Figur an eine geheimnisvolle Quelle und lernt eine mysteriöse, vielleicht magisch begabte Person kennen, dann bedient man damit ein bekanntes Narrativ, das bestimmte Konnotationen automatisch mit abruft (in diesem Fall das des Feenmärchens). Mit so etwas zu spielen, kann sich lohnen. Aber müssen Prinzessinnen immer hilfsbedürftig sein? Oder Aliens immer böse? Können Männer grundsätzlich nicht ihre Gefühle ausdrücken? Oder haben schwarze Menschen per se ein tolles Rhytmusgefühl? Unbedingt an dieser Stelle anzumerken: Im schlimmsten Fall sind Klischees nämlich sogar sexistisch, rassistisch oder auf andere Art diskriminierend. Solche Darstellungen sind einer modernen Gesellschaft nicht würdig. Also Finger davon!


2. Schreibe kontrovers


All die Dinge, die auf der Welt passieren, sind logisch? Menschen handeln immer konsequent? Und wenn man anfängt, über gesellschaftliche Diskurse zu sprechen, werden wir dann immer einer Meinung sein? Nein, nein und nein. Die Wirklichkeit ist kontrovers - warum also sollten Texte anders sein? Deswegen mein Tipp: Gute Texte zeichnet aus, dass es mehr als eine Lesart gibt. Gute Figuren vereinen auch eine angemessene Portion Widersprüchlichkeit in sich. Und vermeintliche Brüche verleihen eine wohlige Prise Realität. Deshalb plädiere ich jederzeit für "Tschüss, Eindimensionalität!"


3. Mach dir klar, was du tust.


"Ich finde das cool" - wer mit dieser Begründung einen Hamster mit Sirenengesang einbaut, greift auf eine schwache Argumentationsbasis zurück. Welche Verbindungen funktionieren und welche nicht, hängt vom kulturellen (ja und durchaus auch naturwissenschaftlichen) Kontext ab. Es gibt keine Kulturgeschichte singender Nagetiere. Aber es gibt eine Kulturgeschichte singender Vogel- und Fischwesen. Wird aus dem betörenden Hamster also eine Nixe oder Nachtigall, muss man den Hintergrund niemandem erklären. Und wer es ein wenig origineller will: Warum nicht auch ein singender Kugelfisch inmitten lieblicher Meereswogen?


4. Recherchiere richtig.


Weiß die deutsche Wikipedia, dass die nordische Göttin Hel in der Snorra-Edda zwei verschiedene Gesichtshälften hat, eine schwarz und eine weiß? Oder dass die babylonische Göttin Ischtar nicht nur für die Liebe steht, sondern auch Schutzherrin der Bierschänken ist? Spoiler: Nein, die Wikipedia weiß das nicht (Stand Februar 2024). Natürlich gibt es Themen, zu denen findet man im Internet durchaus formidable Quellen. Meiner Erfahrung nach ist oft aber genau das Gegenteil der Fall und die Infos sind spärlich, oberflächlich und sogar falsch. Deswegen: die Bibliothek ist immer einen Besuch wert. Und stets dran denken: Manchmal sind es genau die vorgefertigten Bilder, die wir aus anderen Texten oder Filmen mitgenommen haben, die katastrophal falsch sind. Im Alten Ägypten gab es keine Kamele. In der Wüste stehen keine Kokospalmen. Und von Kartoffeln und Karotten im Mittelalter wollen wir gar nicht reden. Darum: Immer kritisch bleiben!

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