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Writer's pictureKornelia Schmid

Ich nenne es "Das Buch" – Einen passenden Romantitel finden

Updated: May 29

Einen passenden Titel für Geschichten zu finden, ist eine Kunst für sich. Meine ersten Texte hatten wirklich die langweiligsten Titel. Gut, vielleicht nicht die allerlangweiligsten, aber schon ziemlich öde. Und wer kennt sie nicht: Titel wie "Die Prüfung", "Ein besonderer Tag" oder "Das Spukhaus". In Einzelfällen kann so etwas funktionieren. Meistens tut es das nicht.


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Meine ersten Manuskripte hatten Titel wie "Die Schicksalskrone" oder "Der rote Thron". Und ich habe mich wirklich gequält, diese Titel zu finden, weil ich tatsächlich vollkommen ideenlos war und das wirklich das Beste war, was nach vielen Stunden Brainstorming auf dem Papier übrigblieb. Und kein Wunder: Wie soll man etwas so Langes und Komplexes wie einen 500-Seiten-Roman auf ein paar Worte reduzieren, die obendrein noch gut klingen und neugierig machen? Nun, ich habe zuerst lernen müssen, wie man Kurzgeschichten schreibt, um herauszufinden, wie man auf das richtige Wort oder die richtigen zwei bis fünf Worte kommt. Denn bei Kurzgeschichten kommt es auf Prägnanz und Bildhaftigkeit an – ganz genau wie bei Titeln! (Meinen Artikel zum Schreiben von Fantasy Kurzgeschichten gibt es übrigens hier: https://www.kornelia-schmid.de/post/fantasy-kurzgeschichten-schreiben.)


Der schwere Weg zur Individualität


Eine Kurzgeschichte ist dem Namen nach kürzer als ein Roman. Also muss es doch wohl einfacher sein, sie zu betiteln. Ich würde sagen: Jein. Bei meinen ersten Versuchen mit Kurzgeschichten bekamen auch diese zunächst langweilige Titel wie "Im Keller" oder "Der Frühling". Inhaltlich mögen diese Schlagworte korrekt gewesen sein, aber eine schnelle Google-Suche zeigt bereits: Diese Titel sind austauschbar. Für "Im Keller" bekomme ich etwa 16.500.000 Ergebnisse. Ein guter Titel? Klares Nein. Denn der Titel ist Einheitsbrei: Er wird nicht im Gedächtnis bleiben und in der Flut untergehen. Für den Namen meiner ersten Kurzgeschichtensammlung "Goldlichtrisse" bekomme ich weniger Ergebnisse und zwar ausschließlich solche, die sich direkt auf mein Buch beziehen. Ein guter Titel? Auf jeden Fall. Er ist einzigartig und bildhaft. Und wie kam ich nun auf diesen?


Die Suche nach Zitaten


Man darf es durchaus einen Geistesblitz nennen: Irgendwann fiel mir ein (man durchaus sagen "plötzlich"), dass manche Autor:innen Zitate aus ihren Geschichten als Titel wählen. Das ist eine gute Idee, weil das in vielen Fällen Individualität garantiert. Der Nachteil: manchmal sind solche Zitate lang bzw. sperrige Sätze. Ein K.-o.-Kriterium muss das nicht sein. Manchmal sind lange Titel durchaus interessant und schaffen es auch auf die Besellerlisten (denken wir nur einmal an "Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand"). Wenn sie besonders originell sind, bleiben sie sicher auch im Gedächtnis. Sie funktionieren allerdings nur, wenn sie eine Geschichte für sich erzählen, die neugierig macht. Und unter Umständen sind sie schwerer ergooglebar, machen das Sprechen übers Buch umständlich, verleiten Rezipient:innen dabei Abkürzungen zu verwenden (schon bei eigentlich gar nicht so langen Titeln wie "Game of Thrones" sprechen viele Fans lieber von "GoT"). Als Autor:in muss man sich also der Risiken bewusst sein.


Die Suche nach Metaphern und Motiven


Manchmal ist ein Zitat nicht nur ein Zitat, sondern gleichzeitig eine Metapher. Wenn meine Geschichte "Der Ton einer Harfensaite" heißt, dann ist das nicht nur eine Formulierung, die in dem entsprechenden Text vorkommt, sondern ein Bild, das die ganze Handlung beschreibt und zur Interpretation einlädt. Dasselbe gilt für ein bestimmtes Motiv, das sich in der Geschichte wiederholt und ihr Struktur gibt oder bestimmte Konnotationen erzeugt. Und das sind beispielsweise meine bereits genannten "Goldlichtrisse", die in der Titelgeschichte eine tragende Rolle spielen. In der Erzählung stehen sie für Magie und den Übergang in eine andere Welt. Sie sind damit ein entscheidendes Element, ohne das die Geschichte nicht funktionieren würde. Warum also nicht dieses als Titel verwenden?


Wer sich nun eifrig auf die Suche im eigenen Text machen möchte, wird sich vielleicht die Frage stellen: Gibt es denn überhaupt in jeder Erzählung besondere Metaphern? Gibt es besondere Motive? Die Antwort ist sicher "nein". Und genau da liegt der Knackpunkt: Sie sollte nicht "nein" sein. Denn derartige Elemente machen einen Text erst interessant und lebendig. Wenn ein Text nichts davon enthält, ist er mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit kein guter Text. Wenn die Suche nach einem Titel hartnäckig scheitert, mag das Problem deshalb vielleicht nicht unbedingt darin begründet liegen, dass die Titelsuche einfach sehr schwer ist. Es kann auch einfach sein, dass der Text keinen guten Titel hergibt. Oder konkreter: Wie soll den auch aus einem schlechten Text ein guter Titel entstehen? Womöglich ist also zunächst ein Überarbeitungsdurchgang angesagt, bevor die Titelsuche wieder aufgenommen werden kann. Denn natürlich ist ein Text ohne erinnerungswürdige Bilder nicht verloren. Aber es dürfte noch Luft nach oben geben. Und wir wollen doch alle das Bestmögliche erschaffen, oder?


Widersprüche machen neugierig


Nichtsdestotrotz liefert selbst Text mit bunten Zitaten, Metaphern, Motiven nicht immer auch einen passenden Titel. Wichtig ist deshalb, zusätzlich andere Herangehensweisen zu kennen. Bei meinen Kurzgeschichten arbeite ich stark mit Zitaten und Motiven. Tatsächlich gebe ich auch jeder Geschichte, die ich verfasse, drei Leitfarben, die in den Beschreibungen immer wieder aufgegriffen werden. Und diese Farben können natürlich ebenfalls gute Titelinspirationen liefern.


Bei längeren Texten ist es nicht so einfach. Da stecken die Farben eher in den Kapiteln, die Zitate sind mitunter zu zahlreich, um sich wirklich zu eignen. Eine gute Möglichkeit ist deswegen, die zentralen Konflikte herauszuarbeiten und zu benennen. Und besonders interessant klingen diese, wenn sie vermeintliche Widersprüche abbilden. Wie wäre es also mit "Schattenlicht", "Dunkelsonne" oder "Sommerkälte"? Ich muss nicht erst googeln, um zu wissen, dass es diese Titel mit Sicherheit schon gibt. Und sie sind nicht schlecht. Ein bisschen allgemein aber doch. Ich habe auch schon einmal ein Manuskript "Schattenflamme" genannt. Ob ich es unter diesem Namen irgendwann einmal herausbringe, ist aber noch vollkommen offen. Beim Titel ist da sicher noch Verbesserungspotenzial. Dennoch ist dieser Ansatz nicht der schlechteste. Um einen prominenten Vertreter zu nennen, bei dem das ganz gut funktioniert: natürlich George R. R. Martins "Das Lied von Eis und Feuer" (wobei die Nennung von "Lied" dem ganzen natürlich noch eine weitere Dimension gibt, nämlich anzeigt, dass wir es hier mit einer epischen Erzählung zu tun haben).


Geheimnisse andeuten


Der Titel meines Debütromans "Das Licht aus dem Nebel" beispielsweise fällt noch nicht wirklich in eine der genannten Kategorien. Ein Widerspruch deutet sich an, ein Motiv aus dem Text findet sich hier auch. Tatsächlich verbirgt sich in dem Titel aber noch mehr: Er ist der Schlüssel zur Auflösung der Romanhandlung. Den die Leser:innen werden erst nach und nach herausfinden, was es denn mit diesem Licht auf sich hat, woher der Nebel kommt und in welchem Zusammenhang diese beiden Elemente stehen.


Ich erinnere mich noch gut daran, als der Titel des letzten Bandes von "Harry Potter" publik wurde: "Die Heiligtümer des Todes". Aus bisherigen Bänden kannte man diese "Heiligtümer" nicht und so rätselten Fans eifrig, worum es sich wohl handeln könnte. Der Titel kündigt folglich ein Geheimnis an, das im Laufe der Handlung aufgelöst wird. Damit ist er deutlich besser als der Titel von Band 1, nämlich "Der Stein der Weisen". Denn diesen Stein kann jeder googeln und wird dadurch eine spezifische Idee bekommen, worum es gehen könnte. Es gibt wenig Interpretationspotenzial. Bei den "Heiligtümern des Todes" sieht das ganz anders aus. In eine ähnliche Richtung gehen auch die anderen Titel wie "Die Kammer des Schreckens", "Der Gefangene von Askaban" oder "Der Orden des Phönix". Das Rätselpotenzial ist hier allerdings kleiner, weil zumindest Titelbestandteile wie "Kammer", "Gefangener" oder "Orden" eine sehr viel klarere Richtung vorgeben als "Heiligtümer". Denn der Gefangene wird höchstwahrscheinlich schon ein Gefangener sein, während die Heiligtümer alles Mögliche sein könnten. Auch "Der Herr der Ringe" bietet einen solchen Interpretationsspielraum (auch wenn es inzwischen nun wirklich kein Geheimnis mehr ist, was es mit diesem einen Ring sie zu knechten, sie alle zu finden ... ihr wisst schon ... auf sich hat).


Anspielungen und Wortspiele


Wählt man ein Zitat, muss es dann eigentlich unbedingt aus dem eigenen Text stammen? Durchaus nicht. Gibt es im Text konkrete (popkulturelle) Bezüge, bietet es sich natürlich an, diese auch im Titel zu betonen. Gerade bei humorvollen Texten, die nicht selten von solchen Referenzen leben, drängen sich entsprechende Titel förmlich auf, seien es Sprichtwörter, bekannte Zitate oder Titel von Klassikern. Meine beiden Einhorngeschichten heißen natürlich nicht zufällig "Findet Banshee" und "Die Wege des Einhörnchens sind unergründlich". Und wenn der Humor in Wortspielen steckt, kann man eine Geschichte auch einmal "KLA-4" nennen. Dass es in "Vikings of the Galaxy" schräg zugeht, ist sicher auch schnell klar. Das ist übrigens gut geglückt bei der Übersetzung von Terry Pratchetts Romanen "Soul Music", zu deutsch "Rollende Steine", oder "Man at Arms", zu deutsch "Helle Barden".


Fantasynamen wählen


Nun, ich bin kein Fan davon, einfach den Namen der Protagonist:in aufs Cover zu drucken. Das scheint mir eher eine Notlösung zu sein. Ähnliches gilt natürlich für den Namen der Welt bzw. des fiktiven Landes. Der Vorteil vor allem im Genre "High Fantasy" ist natürlich, dass diese Namen in der Regel erfunden und damit individuell sind. Das macht sie oft aber leider vollkommen nichtssagend. Sie rufen meistens wenige Konotationen ab – das ist verschenktes Potenzial. Macht uns denn "Die Chroniken von Narnia" wirklich neugierig? Und seid mal ganz ehrlich: Wer dachte auch zuerst, dass "Eragon" der Drache und nicht der Junge ist? Ich würde also sagen: Man kann das schon machen. Aber eine gute und kreative Lösung ist es nicht unbedingt.


Sind Fantasytitel meistens langweilig?


Wenn ich einen Blick in mein Bücherregal werfe, drängt sich diese Frage leider auf. Oft haben die Bücher vollkommen generische Titel, die auf zig anderen Romanen genauso gut stehen könnten. Die Idee ist sicher, die passende Zielgruppe mit Bekanntem anzulocken – der Titel fungiert als Versprechen, was den Inhalt betrifft, im Sinne von: "Liebe:r Leser:in, hier bekommst du genau das, was dir beim letzten Mal auch schon gefallen hat." Es ist wahrscheinlich nicht verwerflich, auf eine solche Marketingstrategie zu setzen. Ich sehe dabei aber eher die Gefahr, dass alles zu einem Einheitsbrei verschwimmt. Ich erinnere mich noch gut daran, wie beispielsweise die individuellen und neugierigmachenden englischen Titel von Brandons Sandersons "Mistborn"-Trilogie, nämlich "Mistborn", "The Well of Ascension" und "The Hero of Ages" ersetzt wurden durch ein mäßig passendes "Kinder des Nebels", ein katastrophal unpassendes "Krieger des Feuers" und nicht sehr viel besseres "Herrscher des Lichts". Genauso wurden aus Joe Abercrombies interessanten Zitattiteln "The Blade Itself", "Before They Are Hanged" und "Last Argument of Kings" furchtbare "Kriegsklingen", "Feuerklingen" und "Königsklingen".


Vielleicht verlockt es in gewisser Weise, die beliebten Schlagworte wie "Feuer", "Krieger", "Klingen", "Kronen" oder "Schwerter" in der High Fantasy bzw. der Low Fantasy munter zu kombinieren, um sich in die richtige Gesellschaft einzureihen. Aber wollen wir wirklich, dass alle Bücher aus diesem Genre irgendwie gleich heißen? Ich für meinen Teil möchte das nicht, insofern würde ich solche Titel nicht wählen – und wenn es schon sein muss, dann wenigstens mit Untertitel.


Die rechtliche Frage


Apropos: Titel, die mit denen bereits existierender Werke identisch sind, dürfen nicht verwendet werden, sonst kann es rechtliche Scherereien geben. Deswegen immer erst googeln, bevor ein Titel aufs Buchcover kommt! Es gibt jedoch einen Trick bzw. sogar zwei: Reihentitel und Untertitel. Wenn einem bereits existenten Titel weitere Elemente hinzugefügt werden und dadurch Kombinationen entstehen, die es so noch nicht gibt, ist es in Ordnung. Deswegen ist diese Regelung nur wenig einschränkend und dem kreativen Titelfinden steht fast nichts im Wege.


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