Unheimliche Getreidefelder. Oder: Was sind eigentlich Korndämonen?
- Kornelia Schmid

- 23. Juni
- 3 Min. Lesezeit
Wusstet ihr, dass es in Getreidefeldern spukt? Wenn der Wind durch die Ähren fährt – ist es dann wirklich der Wind, der merkwürdige Wellen formt oder nicht vielleicht doch ein unheimliches Wesen, das sich zwischen den Halmen versteckt? Hier erfahrt ihr, was Korndämonen sind.

Welche Fabelwesen kennt ihr: Das Einhorn? Den Drachen? Den Roggenwolf? Ja, letzteren gibt es auch (oder zumindest glaubten die Menschen in bestimmten Regionen zeitweise, dass es ihn gibt). Ein Roggenwolf, das mag nun nicht so imposant klingen wie ein Feuerdrache. Aber vielleicht inspiriert er euch trotzdem für eure nächste Fantasygeschichte. (Falls ihr doch lieber klassischer unterwegs seid, hier mein Beitrag zu Werwölfen: https://www.kornelia-schmid.de/post/gibt-es-weibliche-werw%C3%B6lfe-werwolfvorstellungen-in-zeiten-der-hexenverfolgung.)
Warum Getreidefelder?
Zuerst einmal: Warum sind es überhaupt Getreidefelder, die so stark von Dämonen besessen sind? Heute erscheint uns das vielleicht merkwürdig. Gruselige Orte sind doch eher alte Ruinen, verlassene Hütten, nächtliche Wälder, finstere Höhlen. Aber wenn man genauer darüber nachdenkt, ist es eigentlich gar nicht mehr so unlogisch: Getreide war für viele Menschen früherer Zeiten das Grundnahrungsmittel schlechthin. Die Felder waren damit einfach unglaublich wichtig für die Gemeinschaft. Eine gute Ernte konnte das Überleben sichern, eine Dürre bedeutete den Tod vieler. Und kann ein solcher Unglücksfall tatsächlich Zufall sein? Oder muss er nicht vielmehr auf das Wirken dunkler Mächte zurückzuführen sein? Womit wir schnell bei den Dämonen sind.
Feldkulte in archaischen Religionen
In archaischen Religionen spielen Naturgötter oftmals eine große Rolle. Wie gesagt: Die Ernte ist extrem wichtig. Also sollte man zu höheren Mächten beten, dass sie gut wird, oder selbst Magie anwenden, um das zu gewährleisten, nicht wahr? Feldkulte sind deshalb überhaupt nichts Ungewöhnliches. In vielen Kulturen gab und gibt es Fruchtbarkeitsrituale und Menschen, die diese durchführten. Das können beispielsweise Wetterzauber sein. Wettermagie wurde in der Frühen Neuzeit schließlich als Hexenmagie umgedeutet. Mehr dazu auch hier: https://www.kornelia-schmid.de/post/was-ist-hexenmagie. Denn wenn die Ernte kaputt geht, müssen da dunkle Mächte am Werk sein. Hexen! Oder eben unsere Korndämonen.
Geister, die in Feldern leben
Ursprünglich waren Korndämonen einfach nur Fruchtbarkeitsgeister, die in Feldern lebten. Auch Windgeister konnten es sein (womit wir natürlich auch wieder beim Wetter wären): Wenn jedenfalls jemand sagte "Die Wölfe jagen sich im Korn", dann meinte er damit, dass der Wind Wellenlinien ins Getreide malt.
Getreidefelder sind der klassische Fundort solcher Wesen. Aber es gibt auch Erzählungen über Geister in Flachs-, Hanf-, Erbsen- oder Bohnenfeldern. Auch zwischen Hopfen oder Weinreben können sich solche Geister verbergen. Man findet sie in Obstgärten oder sogar auf Kartoffeläckern. Prinzipiell verstecken sie sich auch im Gras (jedenfalls in seltenen Fällen). Ihr sehr also: Die Idee von Naturgeistern wurde einfach auf alle möglichen (Nahrungs-)Pflanzen übertragen, die die Menschen anbauten. Die Kartoffeln dürften dabei schon ein Hinweis sein, dass die überlieferten Erzählungen von Korngeistern nicht extrem alt sind, sondern etwa aus den letzten zweihundert Jahren stammen.
Man geht aber davon aus, dass der Überlieferungskern deutlich älter ist und im Zusammenhang mit alten germanischen Bräuchen steht. Vielleicht sogar mit indogermanischen: Das bezieht sich dann auf die Zeit, bevor sich die germanischen Stämme herausgebildet haben. "Indogermanisch" ist eine der ältesten Sprachen, die wir kennen (auch, wenn sie nur rekonstruiert ist). Daraus haben sich neben Deutsch beispielsweise Latein und die romanischen Sprachen, aber auch die slawischen Sprachen und Griechisch, sogar Persisch, Kurdisch und Hindi entwickelt. Kurzum: Das ist nun alles richtig alt und womöglich stammen die ursprünglichen Vorstellungen sogar aus einer prähistorischen Zeit.
Aus Naturgeistern werden Dämonen
Aus Fruchtbarkeitsriten wurden mit der Zeit schließlich Spukerzählungen. Die Wölfe, die sich im Korn jagen, wurden zu gruseligen Kornwölfen. Daneben gab es auch das Kornmännchen, die Kornmutter, den Korneber, manchmal auch Kornhunde, Kornfüchse, Kornschafe oder Kornhasen. Das klingt alles noch nicht so richtig gruselig, oder? Aber erzählt wurde nicht nur, dass diese Wesen das Getreide aufwirbeln, sondern vor allem, dass sie kleine Kinder entführen oder auch auf verschiedene brutale Arten töten. Konkret nennen sich solche Gestalten dann: Bilwis, Butzemann (den kennt ihr vielleicht aus dem Kinderlied), Habergeiß oder Roggenmuhme (es gibt natürlich noch viel mehr regionale Abwandlungen). Ich erspare euch die Details, wie solche Fabelwesen Babys und Kinder quälen (man muss auch nicht alle Details vertiefen).
Opfergaben für Unholde und gute Geister
Die genannten Gestalten sind aber nicht immer nur schrecklich. Wenn man ihnen Opfer erbringt, helfen sie den Menschen und sorgen für eine gute Ernte (Fruchtbarkeitsgeister eben). Das gilt zumindest für manche von ihnen wie Kornelfen. Das Opfer kann so aussehen, dass ein Teil der Ähren für die Geister stehen gelassen oder nach dem Ernten wieder aufs Feld geworfen wird. Oder dass man aus den Geistern eine Garbenpuppe aus den Ähren fertigt und diese aufstellt.
Windgeist, Fruchtbarkeitsengel, Kinderschreckt – ihr seht, die Vielfalt ist groß. Entsprechend groß sind auch die Möglichkeit, solche ungewöhnlichen Fabelwesen in der Fantasy einzusetzen. Ich habe noch eine Geschichte mit einem Weizenwolf auf dem PC liegen, die ich bestimmt irgendwann veröffentlichen werde.




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