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Writer's pictureKornelia Schmid

Nasskalter Nebel küsst die Haut. Oder: Wie erzeugt man in Romanen Atmosphäre?

Es regnete. Manchmal braucht es nicht mehr Worte. Manchmal aber schon – nämlich dann, wenn der im Text benannte Regenschauer mehr sein soll als bloße Information. Wenn er zur Handlung beiträgt oder wenn er die Stimmung der jeweiligen Szene unterstreichen soll. Hier zeige ich, mit welchen Mitteln man in Romanen Atmosphäre erzeugt.


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Ein Text wird nicht lebendig, wenn er nur Informationen vermittelt. Vielmehr muss er die Vorstellungskraft der Leser:innen ansprechen. Dafür braucht es Bilder. Gerade in der Fantasy oder High Fantasy haben wir hier mehr Möglichkeiten als in anderen Genres. Die sollten wir deshalb auch nutzen.


Ein einprägsames Setting erschaffen


Vielleicht spielt eure Geschichte in einem ganz normalen Wald. Das ist kein Problem – Wälder bieten genügend Sinneseindrücke, um in einem Text eine dichte Atmosphäre abbilden zu können. Wenn der Wald aber beispielsweise aus Kristall besteht, ist das ein ungewöhnliches Setting, das schon für sich genommen neue Bilder im Kopf der Leser:innen entstehen lässt. Das Genre Fantasy macht es möglich, mit solchen Mitteln zu arbeiten – warum sie nicht auch nutzen? Bevor ihr euch ans Schreiben macht, überlegt am besten, ob ihr euer Setting nicht ein wenig ungewöhnlicher gestalten wollt. Das kann euch den Schreibprozess vereinfachen.


Zurück zum Kristallwald – bleiben wir bei diesem Beispiel. Es reicht natürlich nicht zu wissen, dass dort Kristalle in verschiedenen Farben wachsen und dabei ein wenig funkeln. Ein solches Setting funktioniert nur mit gut recherchierten Details. Mit welchen Kristallen haben wir es überhaupt zu tun? Sind es Amethyste? Die bilden auch in der Realität ganz natürlich schöne Kristallspitzen, wären also ein guter Ansatz. Aber wo kommen Amethyste plausiblerweise vor? Es existieren Edelsteinminen in Deutschland, also könnte man ein mitteleuropäisches Setting wählen. Große Vorkommen gibt es aber auch in Brasilien, vielleicht wäre es also besser, sich daran anzulehnen? So einfach "Kristallwald" klingt, am Ende steckt doch eine gewisse Recherchearbeit in einem guten Setting. Denn auch wenn wir Fantasy schreiben – ohne eine gewisse Konsistenz werden uns die Rezipient:innen manche Ideen einfach nicht abnehmen.


Übrigens: Sich der Architektur einer Szene bewusst zu sein, gehört ebenfalls dazu, ein Setting glaubhaft zu gestalten. Oft ist es nicht nur wichtig zu wissen, wie die Umgebung aussieht, sondern auch, wo genau die Figuren stehen, wie sie sich bewegen, was sie überhaupt sehen können und was nicht, wie sich ihre Wahrnehmung durch ihre Handlungen ändert. Das gilt vor allen, wenn ihr einen Ich-Erzähler oder einen personalen Erzähler wählt. Seid ihr euch über den räumlichen Aufbau der Szene nicht im Klaren, schleichen sich nur allzu leicht Perspektivfehler ein, die die Leser:innen im schlimmsten Fall in hohem Bogen aus dem Text katapultieren. Bedenkt das immer mit, wenn ihr ein Setting entwerft.


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In "Das Licht aus dem Nebel" gibt es Glaspaläste, Terrassenfelder, magische Brücken, Schluchten voller Knochen, Wälder voller Lichter und geheimnisvolle Nebelschwaden. Das war nicht von Anfang an so: In früheren Versionen waren die Paläste aus Stein, die Wälder lichtlos und sogar der Nebel hatte keine Bühne. Einer der Gründe, warum ich mit den früheren Versionen nicht zufrieden war, war eben der: Mir ging die Atmosphäre ab, das Magische, das High Fantasy ausmacht. Also habe ich meine Welt neu gestaltet. Und das Ergebnis findet ihr inzwischen zwischen den Buchdeckeln meines Debütromans.


Meine Gedanken zu Architektur in High Fantasy und wie ihr sie in euren Romanen nutzen könnt, findet ihr auch hier: https://www.kornelia-schmid.de/post/architektur-in-der-high-fantasy.


Alle Sinne ansprechen


Damit, zu beschreiben, wie unser Kristallwald nun aussieht, ist es nicht getan. Wie es sich anfühlt, tatsächlich dort zu sein, erfahren Leser:innen nicht durch die Schilderung visueller Eindrücke. Sie erfahren es durch das Zusammenspiel aller Sinneseindrücke: die Geräuschkulisse, die Gerüche, den Tastsinn. Wonach riecht es im Kristallwald? Welche Tiere sind dort unterwegs und wie klingen ihre Bewegungen? Ist die Luft kalt oder feucht? Wie fühlt sie sich auf der Haut an? Wie ihr beispielsweise Natur lebendig beschreibt, erfahrt ihr hier: https://www.kornelia-schmid.de/post/wie-beschreibt-man-natur.


Entscheidend ist dabei zu filtern, welche Eindrücke einer Szene tatsächlich dienen. Es ist keine gute Idee, einfach wahllos alles niederzuschreiben, was einem einfällt. Denn jede Szene sollte eine Konzeption haben und jeder geschriebene Satz diese unterstützen.


Die Veränderlichkeit eines Settings nutzen


Habt ihr mehrere Szenen, die im Kristallwald spielen, ist es sinnvoll, ein wenig zu variieren. Denn der Wald verändert sich abhängig von Tages- oder Jahreszeit. Morgens ist das Licht vielleicht rosa, mittags weiß. Im Herbst ist die Luft feucht, im Winter glänzt eine Eisschicht auf den Steinen. Und je nachdem, ob es regnet oder Sommersonne herableuchtet, ändert sich die Stimmung der Szene.


"Schönes Wetter heute" – der Klassiker unter den Smalltalk-Phrasen. In einem Roman das Wetter zu beschreiben, klingt erst einmal ziemlich langweilig. Und natürlich sollte man sich damit nicht aufhalten, wenn das Wetter keinen Zweck im Hinblick auf die Textintention erfüllt. Beschreibungen sollten nie einem reinen Selbstzweck dienen, es sei denn, man will die Leser:innen zu Tode langweilen. Dennoch kann auch etwas so Banales wie das Wetter helfen, eine bestimmte Szene lebendiger zu gestalten. Nämlich dann, wenn das Wetter für die Handlung eine Rolle spielt. Regnet es? Dann ist die Sicht eingeschränkt und die Protagonist:in erkennt den Hinterhalt vielleicht erst zu spät. Schneit es? Dann ist es kalt. Die Protagonist:in zittert, ist dadurch womöglich geschwächt und tut sich entsprechend schwer, die eigentliche Herausforderung zu bewältigen. Liegt der Duft von Frühlingsblumen in der Luft? Vielleicht trügt das idyllische Bild – es ist ein Kontrast zu dem Grauen, das gleich auf die Protagonist:in zukommen wird. Drückt schwere Sommerhitze? Dann flimmert die Luft und lässt die Grenzen zwischen Magie und Wirklichkeit verschwimmen. Die Wirkung des Wetters in einer Szene sollte deshalb auf keinen Fall unterschätzt werden. Wichtig ist nur, es immer in einen bestimmten Zusammenhang zu stellen.


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Wie der Titel nahelegt, spielt das Wetter in "Das Licht aus dem Nebel" eine Rolle. Es gehört nicht nur zum Setting, es treibt auch die Handlung voran, denn der Nebel ist magisch und hat dadurch eine tiefere Bedeutung. Dasselbe gilt für die Sandstürme in "Das Licht im Sand" und die schneidenden Winde in "Das Licht hinter dem Wind". Und die Protagonist:innen werden all diese Phänomene am eigenen Leib zu spüren bekommen: auf ihrer Haut, in ihren Augen, in ihrer Lunge.


Emotionen sichtbar machen


Ein Setting detailreich beschreiben ist das Eine – es mit Emotionen aufzuladen das andere. Oft entsteht Atmosphäre eben dadurch, dass die Leser:innen mit der Figur mitfiebern. Wenn für sie wenig auf dem Spiel steht, wenn sie nur durch eine friedliche Landschaft reist, dann wirkt eine Szene wesentlich schlechter, als wenn sie in Gefahr schwebt und diese tatsächlich spürbar wird. Denn nicht nur auf das Außen kommt es an, das Innen lässt ebenfalls Bilder entstehen. Was fühlt sich die Figur? Ist ihr übel? Hat sie Schmerzen? Hat sie Gänsehaut? Fröstelt sie? Auch diese Details zählen, um stimmungsvolle Bilder zu erschaffen.


Metaphern und Vergleiche


Die richtigen Metaphern zu finden, ist eine Kunst. Treffende Metaphern werten einen Text enorm auf. Wir können schreiben: Er ist traurig. Wir können aber auch schreiben: Dunkelheit hält seine Seele im Griff. Die Wirkung ist vollkommen anders, denn während die erste Variante nur einen Sachverhalt benennt, lässt die zweite ein Bild entsteht. Eine ähnliche Wirkung können auch Vergleiche haben: Das Licht leuchtet hell ist schlechter als Das Licht strahlt wie die Mittagssonne. Das liegt natürlich auch daran, dass Adjektive wie "hell" nicht unbedingt aussagekräftig sind. Man versteht zwar, was damit gemeint ist, mehr aber auch nicht. "die Mittagssonne" hingegen weckt eine klare Assoziation.


Ein Text ohne sprachliche Bilder ist ein langweiliger Text. Auch wenn es um die Bewertung des künstlerischen Potenzials eines Textes geht, blickt man in der Regel auf solche Formulierungen. Hier können sich Autor:innen austoben. Natürlich besteht die Gefahr, dass schiefe Bilder entstehen. Das Tuch fiel flatternd wie ein Vogel zu Boden. Naja, merkwürdige Vorstellung, wie so etwas Leichtes wie ein Tuch derart herumtobt. Letztlich ist passende Metaphern und Vergleiche zu kreieren aber eine Frage der Übung – je länger man sich mit sprachlichen Bildern beschäftigt, desto mehr Gespür entwickelt man dafür.






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